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Mit dem Aufschwung der Veterinärmedizin in den letzten 25 Jahren haben natürlich auch ihre Lehr- und Forschungsanstalten eine angemessene Erweiterung und einen neuzeitlichen inneren Ausbau erfahren müssen. Vorangegangen ist in dieser Beziehung die tierärztliche Hochschule in Hannover, die dank der Tatkraft Dammanns noch an der Wende des Jahrhunderts einen mustergültigen Neubau erhalten hat. Ein ähnlicher umfassender Neubau ist gegenwärtig bereits für die Dresdener Tierärztliche Hochschule geplant und für die Münchener Hochschule ernstlich in Erwägung gezogen, während die Berliner Tierärztliche Hochschule den neuzeitlichen Anforderungen durch umfassende Erweiterungs- und Neubauten auf dem alten geräumigen Areale inmitten der Stadt genügen konnte. Die Verhandlungen über den Neubau der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart haben leider dazu geführt, daß diese fast 100 Jahre alte tierärztliche Hochschule vor Jahresfrist endgültig aufgehoben worden ist.

Aber trotz aller Neu- und Erweiterungsbauten wäre der hohe Stand, den die tierärztlichen Hochschulen gegenwärtig einnehmen, nicht erreicht worden, wenn nicht die alte, enge, mehr patriarchalische Organisation der ehemaligen Tierarzneischulen mit einem einzigen verantwortlichen Direktor an der Spitze, die man auch nach Erhebung dieser Anstalten zu Hochschulen einstwellen noch beibehalten hatte, allmählich durch eine freiere akademische Verfassung, die schließlich im Wahlrektorat gipfelte, ersetzt worden wäre. Allerdings standen der Einführung einer akademischen Verfassung an den einzelnen Hochschulen zunächst recht erhebliche Schwierigkeiten entgegen, so daß die Neuorganisation nicht überall mit der gleichen Schnelligkeit und dem gleichen Erfolge durchgeführt werden konnte. Am raschesten hat sich die Entwicklung vom Direktorat bis zum Wahlrektor an der Berliner und an der Dresdener Hochschule vollzogen, die beide im Jahre 1903 eine freiere akademische Verfassung und im Anschluß daran das Wahlrektorat erhalten haben. Seit Frühjahr 1913 erfreut sich auch die tierärztliche Hochschule in Hannover der gleichen Verfassung wie die Berliner Schwesteranstalt, und auch für die Münchener Hochschule dürfte die Einführung einer akademischen Verfassung unmittelbar bevorstehen.

Promotionsrecht.

Schon bald nach Einführung der Maturität als Vorbedingung für das Studium der Veterinärmedizin setzte eine Bewegung ein, welche die Erlangung des Promotionsrechtes für die tierärztlichen Hochschulen zum Ziele hatte. Zwar wird bereits seit Mitte des vorigen Jahrhunderts die Würde eines Dr. med. vet. von der medizinischen Fakultät der Universität Gießen, die von alters her eine besondere tierärztliche Abteilung besitzt, unter den gleichen Bedingungen wie die medizinische Doktorwürde verliehen, aber für die tierärztlichen Hochschulen gab es ein gleiches Recht nicht. Die Dresdener tierärztliche Hochschule, der bereits im Jahre 1903 das Recht der Ernennung von Privatdozenten eingeräumt war, war auch die erste die im Jahre 1907 dank dem zielbewußten Vorgehen Ellenbergers das Recht erlangte, gemeinsam mit der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig Tierärzte zu Doktoren der Veterinärmedizin zu promovieren. Nach Überwindung außerordentlicher Hindernisse und nicht zuletzt dank dem entschlossenen selbständigen Vorgehen Bayerns wurde endlich im Jahre 1910 auch den übrigen tierärztlichen Hochschulen das Promotionsrecht

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/313&oldid=- (Version vom 20.8.2021)