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und in allerjüngster Zeit auch das Recht zur Ernennung von Privatdozenten verliehen. Damit hat die vor 25 Jahren einsetzende Weiterentwickelung der Tierarzneischulen zu vollwertigen akademischen Bildungsanstalten ihren Abschluß und zugleich ihre Krönung erfahren.

Es kann nicht überraschen, daß nach Erreichung dieses Zieles sich in allerjüngster Zeit auch in Deutschland Bestrebungen geltend machen, die nichts Geringeres als die völlige Eingliederung der tierärztlichen Hochschulen in die Landesuniversitäten bezwecken, um so auch äußerlich den nahen Zusammenhang zwischen Human- und Veterinärmedizin zum Ausdruck zu bringen. Wir können diese Bestrebungen dort, wo sie durchführbar sind und auf eine völlige Gleichstellung der tierärztlichen mit den übrigen Universitätsabteilungen hinzielen, im Interesse der Veterinärmedizin und des tierärztlichen Standes nur mit Freuden begrüßen.

Stellung der Tierärzte.

Entsprechend der vollwertigen akademischen Ausbildung und dem an Bedeutung ständig zunehmenden Wirkungskreise der Tierärzte hat sich selbstverständlich auch ihre soziale Lage und ihre gesellschaftliche Stellung gehoben. Auch für den Fernerstehenden sichtbar ist der Wandel in der Wertschätzung des tierärztlichen Standes durch drei Vorgänge aus jüngster Zeit besonders zum Ausdruck gelangt: durch die Schaffung eines Veterinäroffizierskorps, durch die Gleichstellung der Veterinärbeamten mit den Medizinalbeamten und durch die Ernennung von Fachreferenten in den zuständigen Ministerien der einzelnen Bundesstaaten. Daß auch diese Errungenschaften den Tierärzten nicht mühelos in den Schoß gefallen sind, lehrt ein Blick in die Fachpresse des letzten Jahrzehnts. Nächst dem Wohlwollen der zuständigen Reichs- und Staatsbehörden und den Bemühungen einflußreicher Fachkollegen danken wir diese Fortschritte der jahrelangen zielbewußten Vorarbeit, welche die tierärztlichen Standesvertretungen, vor allem die Vertretung der gesamten deutschen Tierärzteschaft, der deutsche Veterinärrat unter Führung von Esser und Schmaltz, geleistet haben. Daß diese in erster Linie den Veterinärbeamten und den Militärtierärzten zuteil gewordene Rangerhöhung ihre Wirkung auch auf die übrigen tierärztlichen Berufsgruppen, insbesondere die Gemeindetierärzte und die Privattierärzte, ausüben wird, steht außer Zweifel; aber ebenso sicher ist es auch, daß gerade diese der staatlichen Aufsicht nicht unmittelbar unterstellten Berufsgruppen noch manche Kleinarbeit im eigenen Lager zu leisten haben werden, ehe der Boden für die erstrebten, vor allen auch auf eine wirtschaftliche Besserstellung hinzielenden Reformen überall hinreichend vorbereitet sein wird. Hier helfend und fördernd einzugreifen, dürfte eine weitere dankbare Aufgabe der tierärztlichen Standesvertretungen sein, die erst jüngst in Preußen und in einigen anderen Bundesstaaten durch die Gründung von Tierärztekammern einen Ausbau erfahren haben, der für die Weiterentwickelung des tierärztlichen Standes von der größten Bedeutung sein dürfte.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/314&oldid=- (Version vom 20.8.2021)