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Mergel in reichsten Mengen für das neugewonnene Land zur Verfügung standen, nachdem das Wesen einer rationellen Pflanzenkultur richtig erkannt war und schließlich auch gute und sich in gleicher Höhe haltende Frucht- und Viehpreise, wie sie jetzt durch die Einfuhrzölle gewährleistet werden, die Rentabilität der Neuanlagen verbürgten.

Boden der Tropen.

Aber nicht nur haben wir begonnen, alles anbaufähige Land in der Heimat für die Ernährung unseres Volkes auszunutzen, auch den Boden der tropischen Sonne hat der deutsche Landwirt jetzt in Arbeit genommen. Nachdem der Weltverkehr mit spielender Leichtigkeit und Schnelligkeit und auch mit verhältnismäßig geringen Kosten selbst die voluminösen Stoffe bewältigt, haben die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der tropischen Sonne immer mehr Aufnahme bei uns gefunden. Sie werden nicht nur von unserer Industrie in ungeheuren Mengen benötigt (Baumwolle, Sisal, Kautschuk usw.), sondern dienen nicht minder auch der Ernährung des deutschen Volkes und seines Viehstandes, und zwar in einer Weise, daß sie bereits unentbehrlich sind. Die Entwicklung unseres Volkes würde stillstehen, wenn sie fehlten. Zum Glück wurden uns nun seit 1884 eigene Kolonien zuteil, und es erweiterte sich unser kolonialer Besitz in den letzten 25 Jahren derart, daß der Umfang unserer Kolonien heute fast das 6fache der Größe des Mutterlandes ausmacht. Der deutsche Landwirt von heute hat daher nicht nur die Aufgabe, auf heimatlicher Scholle die für das Volk erforderlichen Stoffe zu erzeugen, sondern er ist ebensosehr verpflichtet, nachdem wir einmal eigenen kolonialen Grund und Boden – und obendrein auch sehr guten – erworben haben, auch diesen zu bearbeiten und ihm das abzuringen, dessen unser Volk bedarf. Das fordert die neue Zeit gebieterisch vom deutschen Landwirt, und zum Glück ist er sich dessen heute bewußt! Anfänglich trat er zwar recht zaghaft und obendrein auch aus Furcht vor Konkurrenz mit Mißtrauen erfüllt an das neue Problem, und so vergingen die ersten 15 Jahre in unseren Kolonien, ohne daß ein rationeller landwirtschaftlicher Geist sich dort entfaltete. Dafür ist nun aber auch in den letzten Jahren um so viel eifriger gearbeitet worden. Dank der kräftigen Hilfe des Reichskolonialamtes, sowie des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und dank der arbeits- und opferfreudigen Tätigkeit tüchtiger Männer der Wissenschaft hüben und drüben ist jetzt ein gesundes Fundament der deutschen tropischen Landwirtschaft und die Aussicht auf eine glänzende Entwicklung vorhanden.

Wir Deutsche sind geborene Landwirte und haben den Ackerbau und die Viehzucht praktisch und wissenschaftlich auf eine solche Höhe gebracht, daß wir in diesem Berufe voranmarschieren. Wenn wir uns um die Welt weiter verdient machen wollen, so erfordert es unsere Ehre und ist es unsere Pflicht, im Ausbau auch der kolonialen Landwirtschaft nicht hinter anderen Völkern zurückzustehen. Das erfordert aber auch das Lebensinteresse und der wachsende Wohlstand unseres Volkes.

Gesamtverbrach.

Der Gesamtverbrauch unseres Volkes an landwirtschaftlichen Stoffen ist von mir zurzeit auf rund 16 Milliarden Mark berechnet worden; davon liefert ¾ der heimische Boden, für gegen 12 Milliarden Mark, Stoffe, und mit dem Rest von 4 Milliarden Mark = 25%, sind wir vom Auslande abhängig. Von diesem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/320&oldid=- (Version vom 20.8.2021)