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erzielt worden, so kommt als weitere Aufgabe in Betracht, diesen konstant zu machen und die Neigung, neue Variationen zu bilden, zu beseitigen, während das mit Hilfe der Formentrennung Erzielte sofort in hohem Maße konstant ist. Man hat gelegentlich gemeint, daß sogar bei diesen Ergebnissen eine weitere züchterische Arbeit überflüssig wäre, wenn man nur die Fortpflanzung in reiner Linie weiter verfolgte. Bei den Arbeiten in der Praxis muß man jedoch berücksichtigen, daß vielerlei Fremdbeimischungen trotz aller Vorsicht vorkommen können, sowohl durch Übertragung von fremdem Saatgute als auch durch die zufällige Fremdbestäubung mit Blütenstaub anderer Sorten. Zum Zwecke der Kontrolle in bezug auf Reinheit und Echtheit ist daher die weitere züchterische Bearbeitung der durch Formentrennung erhaltenen Sorten unentbehrlich. Speziell in der deutschen Pflanzenzüchtung hat sich diese letztere Anschauung erhalten und sichert in besonderem Maße die Konstanz und Gleichmäßigkeit der durch die Züchtung erreichten Vorzüge.

Kreuzung.

Auch über den Wert der Kreuzung hat die neuere Zeit weitere Aufklärung gebracht, besonders insofern, als man sie in den meisten Fällen nur als letzten Notbehelf ansehen kann, wenn die anderen züchterischen Methoden für irgendeinen Zweck versagen. Es liegt in der Kreuzung, wie es sich namentlich durch die Arbeiten des Verstorbenen Cimbal in Frömsdorf ergeben hat, die Möglichkeit, wenn auch keine absolut sichere, zwei sonst schwer zu vereinigende Eigenschaften wenigstens annähernd in dem gleichen Individuum zu verbinden. Solche Aufgaben liegen z. B. vor bei der Zuckerrübenzüchtung in der Vereinigung von Massenertrag und Zuckergehalt, wie auch besonders beim Winterweizen in der Verbindung von hoher Ertragfähigkeit und Strohfestigkeit mit guter Winterfestigkeit. Bei diesen beiden Problemen hat die Kreuzung zwar auch keinen ganz vollkommenen Erfolg gebracht, aber speziell bei den Cimbalschen Weizenkreuzungen wenigstens einen annähernden, der bereits einen wertvollen Fortschritt bedeutet. Im übrigen gilt für die Kreuzung das oben für die Variationen Gesagte in noch höherem Maße, indem nach Ausführung einer Kreuzung die Konstanz noch stärker erschüttert und viel Mühe dazu notwendig ist, um die Neigung, Abänderungen zu bilden, wieder zurückzudrängen. Zugleich haben aber auch die neueren Kenntnisse auf dem Gebiete der Vererbungslehre, die namentlich seit der Wiederentdeckung der Mendelschen Vererbungsregeln im Jahre 1900 in überraschender Weise erweitert sind, gezeigt, daß die durch Kreuzungen erzielte Vereinigung von Merkmalen keine dauernde ist, sondern daß immer wieder das Streben auftritt, die Merkmale in ihrer ursprünglichen Form wiederherzustellen. Es ist aus den Fortschritten der Vererbungskunde überhaupt hervorgegangen, daß das Veränderliche nicht die einzelnen Eigenschaften sind, sondern vielmehr nur die Kombinationen, die sie zu zweien oder mehreren bilden können, und diese Kombinationen zeigen ständig die Neigung, wieder auseinander zu fallen. – Man sieht danach, daß die Pflanzenzüchtung sowohl in ihrem praktischen Bestreben wie auch in ihren wissenschaftlichen Unterlagen gewaltige Fortschritte gerade in der letzten Zeit gemacht hat, und es ist durch Schaffung leistungsfähigerer Sorten die wichtigste Vorbedingung für die Steigerung der gesamten Ernteerträge gegeben.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/329&oldid=- (Version vom 20.8.2021)