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Gerade in der Ziegenzucht kann die zur Besserung unbedingt notwendige Kleinarbeit nur unter Ausbau des genossenschaftlichen Gedankens mit genügendem Nachdruck einsetzen.

Vereinswesen.−Ausstellungswesen. Körwesen.

Einen, heut noch gar nicht zu übersehenden Fortschritt dürfte die immer mehr verbreitete Leistungsprüfung speziell in der Landesrinderzucht in Form der aus Dänemark übernommenen sog. Kontrollvereine angebahnt haben. Eine durchschnittliche Vermehrung des Milchertrages um nur 100 l im Jahr bedeutet bei 10 Millionen Milchkühen in Deutschland und einem Wert von 10 Pf. pro Liter eine Mehreinnahme von 100 Mill. Mark. Dieses Mehr zu vervielfachen, darf durchaus nicht als Utopie angesehen werden.

Die Gefahren einer einseitigen Leistungszucht sind so oft besprochen und werden so allgemein anerkannt, daß sie nicht zu fürchten sind. Eine verständige Berücksichtigung der Form, sowie vermehrter Weidebetrieb lassen alle Bedenken zurücktreten. Deshalb ist das Kontrollvereinswesen mit allen Mitteln zu fördern.

Das Vereinswesen ist in den letzten 25 Jahren auch auf unserm Gebiet in ganz wunderbarer Weise ausgebaut, und doch darf man auch hier, wenn man das große Ganze im Auge hat, erst von bescheidenen Anfängen reden. Nach unten eine immer stärkere Verzweigung zur Förderung der ebenso schwierigen wie wichtigen züchterischen Kleinarbeit, nach oben eine immer großzügigere Zusammenfassung, um auch hier die lächerliche Kirchturmpolitik zurückzudrängen, das sind Aufgaben, die sich gebieterisch jedem Weiterblickenden aufdrängen müssen und die reichen Lohn in Aussicht stellen.

Auch der Aufschwung des Ausstellungswesens dürfte erst der Beginn dazu sein, es immer mehr zu vertiefen und mit neuzeitlichen Fragen zu durchsetzen. So scheint es mir selbstverständlich, daß man mit der Vervollkommnung und Verallgemeinerung des Herdbuchwesens und der Leistungsprüfungen auch deren Ergebnisse neben der reinen Formbeurteilung zur Bewertung heranzieht, und zwar sollte dies in sehr viel schnellerem Tempo geschehen, wie bisher. Die Schwierigkeiten zu überwinden, wird erst die Erfahrung lehren. Ebenso dürfte es an der Zeit sein, auf Grund der zuverlässigen Nachweise im Stammbuch mehr wie bisher Abstammung und eigene Zuchtleistung der Ausstellungstiere bei der Beurteilung zu bewerten.

Das Herdbuchwesen nimmt von Jahr zu Jahr zu, wird aber leider vielfach noch immer zu engherzig gehandhabt. Das Herd- oder Stamm- oder Stutbuch soll kein Verzeichnis von Elitetieren sein, sondern ein Nachschlagebuch für die Landeszucht.

Ebenso ist zu betonen, daß das gerade in den letzten 25 Jahren so stark ausgebaute Körwesen mit großer Vorsicht gehandhabt werden muß. Keineswegs darf durch die Körung die Zucht bezüglich der Menge beeinträchtigt werden und ebensowenig soll durch zu harte Bevormundung die freudige Mitarbeit der Züchter leiden.

Die Tierzucht-Wissenschaft.

Endlich darf nicht unerwähnt bleiben die Arbeit der Tierzucht-Wissenschaft. Je länger um so mehr stellt sich die Notwendigkeit vermehrter Gelegenheit zu praktischer Forschungstätigkeit

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/341&oldid=- (Version vom 29.1.2017)