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Staubecken – darunter die großen Stauseen von Marklissa im Queis und von Mauer im Bober – teils überwiegend, teis ausschließlich zum Zweck des Hochwasserschutzes angelegt, wobei nach einer Hochflut alsbald wieder eine Entleerung des Schutzraumes stattfindet, um denselben zur Aufnahme einer neuen Hochwasserwelle freizumachen.

Da das erste, durch eine größere Staumauer geschaffene deutsche Staubecken von Alfeld, das von Fecht in den Vogesen erbaut wurde, im Jahre 1888 dem Betrieb übergeben wurde, reicht der Talsperrenbau in Deutschland nur 25 Jahre zurück. In dieser Zeit sind im Deutschen Reiche – meist auf Anregung und nach den Entwürfen Intzes – fast ein halbes Hundert Staumauern erbaut worden, so daß Deutschland auf dem Gebiete des Talsperrenbaues heute unter den Ländern Europas die Führung besitzt. Diese überwiegend in Preußen gelegene Talsperren bilden mit den noch im Bau befindlichen einen Stauraum von rund 620 Millionen cbm, der etwa zur Aufspeicherung von 4 Tausendstel des mittleren Jahresabflusses aller deutschen Ströme ausreicht. Wenn die Größe des geschaffenen Stauraumes somit im Verhältnis zum gesamten Abfluß der deutschen Flußsysteme auch noch als bescheiden bezeichnet werden muß, so ist doch der erste wichtige Schritt auf dem Wege zum höchsten Ziele einer gesunden Wasserwirtschaft getan, der in einer möglichst weitgehenden Ausgleichung des Abflusses der Gewässer zu suchen ist. Bleibt es auch der Zukunft noch vorbehalten, den bereits geschaffenen Stauräumen viele Tausende von Millionen Kubikmeter hinzuzufügen, so ist doch das Erreichte schon von großer Bedeutung für die deutsche Wasserwirtschaft, indem durch die fertiggestellten Talsperren wenigstens die schlimmsten Schäden beseitigt und ein großer und nachhaltiger Nutzen für die verschiedensten Zweige des deutschen Wirtschaftslebens geschaffen worden ist. Die Talsperren haben ihren reichen Segen für die verschiedensten Aufgaben der Wassernutzung in gleich überzeugender Weise dargetan, wie für einen durchgreifenden Wasserschutz. Sie haben sich als eines der wichtigsten Hilfsmittel zur Hebung der gesamten Wasserwirtschaft erwiesen.

Tätigkeit des Ingenieurs.

Wie schon aus obiger kurzer Zusammenfassung der hauptsächlichsten Bauausführungen auf den verschiedenen Gebieten des Wasserbaues in Deutschland hervorgeht, waren es vielseitige und umfangreiche Aufgaben, die dem deutschen Wasserbauingenieur im letzten Vierteljahrhundert gestellt wurden. Bei manchen der genannten Bauausführungen konnte auf die bei ähnlichen Arbeiten aus früherer Zeit gesammelten Erfahrungen zurückgegriffen werden, die nur einer zweckdienlichen Weiterentwicklung und einer durch die abweichenden örtlichen Verhältnisse, Hilfsmittel und Zweckbestimmung bedingte Abänderung bedurften. Andere aber waren wenigstens für den deutschen Ingenieur neu, wie der Talsperrenbau und die Großwasserkraftanlagen, so daß bei ihrer Verwirklichung auf ausländische Bauausführungen zurückgegriffen werden mußte; noch andere endlich – wie die Korrektion der Unterweser und das Schiffshebewert auf Schwimmern bei Henrichenburg – mußten von Grund auf neu ersonnen und in allen ihren Einzelheiten technisch selbständig durchgebildet werden. Für diese mannigfaltigen Aufgaben bedurfte es theoretisch und praktisch gut durchgebildeter Ingenieure.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/371&oldid=- (Version vom 20.8.2021)