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und Einleiterkabel sogar für 60 000 Volt gebaut; solche Kabel sind z. B. für die Wechselstrom-Vollbahn Dessau-Bitterfeld verlegt worden. Hochspannungs-Freileitungen sind von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und den Siemens-Schuckert-Werken schon für 110 000 Volt gebaut worden, und zwar für die Energieübertragung zwischen Lauchhammer und Gröba in Sachsen, die erste Anlage, die in Europa mit so hoher Spannung betrieben wird.

Messungen.

So große Fortschritte wie die geschilderten hätten nicht gemacht werden können, wenn nicht die Möglichkeit geschaffen worden wäre, genauer zu messen als früher, sowie Erscheinungen und Vorgänge zu beobachten, an deren Verfolgung früher niemand hätte denken können. Auch an der Entwicklung der hierzu gehörigen neuen Meßverfahren und Meßgeräte hat die deutsche Elektrotechnik hervorragenden Anteil.

Die Neuerungen beziehen sich zum großen Teile auf die Beobachtung von Wechselstromerscheinungen. Am augenfälligsten stellt sich hier die von Amerika angeregte, und bei uns Ende der 90er Jahre vollzogene Umwandlung der alten Torsionsdynamometer zu direktzeigenden Zeigerinstrumenten dar. Etwa gleichzeitig erschienen die Hitzdrahtinstrumente in England und wurden in Deutschland von Hartmann & Braun erheblich vervollkommnet. Das Drehfeld wurde hauptsächlich von Siemens & Halske in den sogenannten Ferrarisinstrumenten zur Konstruktion sehr guter Wechselstrominstrumente benützt. Der in Frankreich und England angegebene Oszillograph, ein Apparat zur Aufzeichnung der Kurven von Wechselströmen, wurde von Siemens & Halske ausgearbeitet. Dieses wunderbare Instrument, das es ermöglicht, Schwingungen zu beobachten und zu photographieren, deren Periodendauer nur etwa 1/3000 Sekunde beträgt, zählt heute zu den wichtigsten Instrumenten eines Laboratoriums.

Auf dem Gebiete der Gleichstrommessungen gehört zu den wichtigsten Ereignissen die durch die Auffindung eines zuverlässigen Normalelementes ermöglichte Einführung des ursprünglich von Poggendorf angegebenen Kompensationsapparates in die Praxis, der dann 1890 von Feußner und später von Hausrath erheblich verbessert wurde. Es ist ferner die Schaffung von Normalien, insbesondere der Widerstandsnormalien unter Führung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und schließlich die hauptsächlich von Raps geförderte Einführung und Ausbildung der von d’Arsonval und als Zeigerinstrument von Weston angegebenen Drehspulengalvanometer anzuführen.

Einen sehr großen Raum im Gebiete der Meßtechnik nimmt der gewöhnlich als Elektrizitätszähler bezeichnete Arbeitsmesser ein; er wird in ungezählten Mengen verwendet, und diese Tatsache in Verbindung mit der Notwendigkeit, seine Zuverlässigkeit aufs höchste zu steigern, reizte zahlreiche Erfinder und Konstrukteure im Laufe der von uns betrachteten Zeit, sich der Ausbildung dieses Instrumentes zu widmen, nachdem im Jahre 1884 als einer der ersten und erfolgreichsten Pioniere der deutsche Physiker Aron vorangegangen war. Die inzwischen zu hoher Blüte gelangte deutsche Präzisionsmechanik baut heute Elektrizitätszähler von großer Vollendung in Massenfabrikation.

Die Anführung der Drehspuleninstrumente gibt Anlaß, an einen feindseligen Gegensatz

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/385&oldid=- (Version vom 11.12.2022)