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Breite, deren Aufwand durch höheren Ertragswert der Häuser gedeckt wird, Neben- und Wohnstraßen dagegen werden schmal angelegt, um Kosten und Staub zu vermindern. Behufs der erforderlichen Belichtung können Vorgärten, sei es im privaten oder öffentlichen Besitz, hinzugefügt und eventuell bei zunehmendem Verkehr zur Straßenfläche einbezogen werden.

Hinsichtlich der Befestigung von Straßen gilt jetzt der Grundsatz, unter den so mannigfaltigen Befestigungsarten und Materialien die zweckmäßigsten darnach zu bestimmen, daß die Summe der Bauzinsen und der Unterhaltungskosten möglichst klein wird. Dabei müssen als Unterhaltungsaufwand nicht bloß die alljährlichen kleinen Flickereien, sondern auch die periodisch wiederkehrenden Umbauten in Rechnung treten, beides abhängig von der Verkehrsmenge. Diese Berechnung kann verwickelt und vielleicht nicht ganz sicher ausfallen, aber für das städtische Budget von großer Wichtigkeit werden. Es ist daraus in manchen Städten ein weitausschauender Plan entstanden, nach welchem alle Straßen im Lauf der Zeit auf die individuell zweckmäßigste Befestigungsart gebracht werden.

Außer dem wirtschaftlichen Vergleich können die Befestigungsarten klassifiziert werden hinsichtlich des Aufwandes an Zugkraft, der Sicherheit der Zugtiere, des Zeitaufwandes für Reparaturen u. dgl. Ferner gibt es noch Rangfolgen für Gesundheit und Annehmlichkeit, nämlich in Betreff von Geräusch, Staub, Nässe und Abtrocknung. Dabei spielt insonderheit das neuerdings viel eingeführte Teeren der Straßen eine wichtige Rolle. Alle diese Rücksichten zusammenzufassen, ist um so schwieriger, als manche sich nicht in bestimmten Zahlen ausdrücken, sondern nur nach Gefühl abschätzen lassen. Indessen wurde bereits eine wissenschaftliche Untersuchung versucht und bildet jedenfalls das Ziel.

Wachsende Aufmerksamkeit wird aus Sicherheitsgründen der Absonderung gewisser, namentlich schnellfahrender Verkehrsmittel gewidmet. Dahin gehören Streifen für Reiter, für Fahrräder, für Automobile, für die Straßenbahngleise auf Linien von starker Frequenz. Mit dem Wachstum der Städte wuchs auch das Bedürfnis nach Verkehrsmitteln, welche in regelmäßiger Zeitfolge auf bestimmten Linien befördern, billiger als es durch Privatfuhrwerk geschehen kann. So entstanden die Omnibusse, welche noch jetzt auf glatten Asphaltstraßen vielfach beibehalten sind, indem sie keine Anlagekosten erfordern. Dagegen wurden sie auf rauher Straßenbefestigung bald durch Wagen auf Gleisen ersetzt. Die gewaltige Zunahme von Straßenbahnen zeigt sich in der Gesamtlänge, welche in den deutschen Städten einschließlich ihrer Vororte vor 25 Jahren rund 500 Kilometer betrug, jetzt aber auf über 4600 gewachsen ist, vorwiegend zweigleisig gebaut. Ferner in der Anzahl der Fahrten pro Jahr und pro Kopf der Bevölkerung, welche damals ein Maximum von ca. 80 erreichte, im Jahre 1905 schon 150–160 betrug (Hamburg, Köln, Frankfurt, Leipzig, Dresden). In dem Entwurf eines Bebauungsplanes ist daher vorzusehen, daß die Hauptstraßen sich nach Lage und Breite zu einem künftigen Bahnnetz eignen. Für die Konstruktion der Gleise scheint nach vielerlei Versuchen und Erfahrungen jetzt ein normaler Typus gewonnen zu sein. Als Betriebskraft dienten anfänglich Pferde, später teilweise Lokomotiven und Dampfomnibus, jetzt fast ausschließlich elektrische Leitungen.

Aber auch die Straßenbahnen genügen nicht mehr überall, denn mit Zunahme des Verkehrs folgen sich die Wagen auf gewissen Strecken, welche von mehreren Linien zugleich

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/394&oldid=- (Version vom 20.11.2016)