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nicht den Vorwurf beabsichtigter Täuschung herleiten wollen. Es liegt im Gegenteil der Beweis vor, daß die Maler damals von einer erhebenden Selbstlosigkeit erfüllt waren, denn daß sie keine Verkaufsware herstellten, bewies ihnen das Publikum sehr schnell. Der Impressionismus mußte vorwiegend auf die Landschaft sich beschränken, weil er seinen Ursprung von der Beobachtung der Wirkung des prismatisch zerlegten strahlenden weißen Sonnenscheins auf die von der Atmosphäre umgebenen Dinge nahm. Das Licht wurde dadurch in eine ganz andere Stellung zum Bilde gebracht. Es war jetzt der bestimmende Faktor des künstlerischen Aufbaues geworden, während es in dem im Atelier entstandenen Gemälde einen Teil der Komposition ausmachte. Durch diese alles beherrschende Stellung des Himmelslichtes wurde die Aufmerksamkeit für die landschaftliche Natur in solchem Maße gesteigert, daß der Mensch zu einem Teil der Umwelt, gleich irgendeinem Stück der Landschaft, wurde. Die Eindruckmalerei will koloristisch nichts anderes geben, als die optischen Reize eines unbefangen angeschauten, unvoreingenommen empfundenen Ausschnittes der Natur. Diesen will der Künstler auf sich wirken lassen, mit seinen Malmitteln in Kunstform übersetzen und mit seiner Hingebung an alle Schönheit der Welt erfüllen. Deshalb mieden (und meiden) die Maler die großen Städte und zogen sich einzeln oder in Gruppen auf das Land zurück. Die Berechtigung dieses Gefühls wird neuerdings durch die Art und Weise, wie die jüngsten Kunstakademien errichtet werden, anerkannt. Eine derartige Flucht aufs Land bringt dann besonders köstliche Früchte, wenn der Künstler in seiner Heimat bleibt; denn dort, wo uns das kleine Zufällige von langher bekannt ist, wird das Große, das Typische am ehesten erkannt. Weil nun in jedem einzelnen Menschen das Weltgefühl lebendig ist, je nach dem Grade seiner Seelenkraft, so kann ein großer Landschafter auch in dem anspruchslosesten Stückchen Erde seine Schöne, seinen Charakter, das Ewige sich wiederspiegeln lassen. Wenn dieser Naturalismus des Impressionismus oft Gefahr lief, nur ein Inventarium der Landschaft, nicht eine Übertragung in künstlerische Form zu liefern, so lag das in erster Linie daran, daß der Deutsche für reine Formgedanken – das Wort im umfassenderen Sinne genommen – bei weitem nicht das Organ wie der Franzose besitzt. Es ist aber die Sache eines jeden Einzelnen zu entscheiden, ob und wie er von derartigen Werten ergriffen wird. Wir können hier nur historisch jene Absicht, welche ganz unleugbar bestand, feststellen.

Technische Behandlung.

Da der vorwiegend lichtreiche, helltonige Eindruck von und vor der Natur festgehalten werden sollte, so mußte die Methode der Versinnbildlichung von Grund aus geändert werden. An die Stelle einer sorgsamen Einzelarbeit mußte ein kühnes Zusammenfassen, das blitzschnell über nutzlose Einzelheiten hineilt, treten, um sich an den wesentlichen Formgedanken, an der Wahrheit des Gesamteindruckes genügen zu lassen. Das Haschen nach Licht brachte demzufolge bei den Ölfarben ein pastoses, brutales Malen, das leicht in befremdende, ja abstoßende Halbfertigkeit ausarten konnte. Auf der andern Seite ist es aber auch richtig, daß die breite Behandlung zwingt, die charakteristischen Eigenheiten des jeweilig gewählten Dinges sehr klar herauszuheben, und daß

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/450&oldid=- (Version vom 27.9.2022)