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Kaufleute.

In der bürgerlichen Gesellschaft tritt der Kaufmann gegen früher zurück, obgleich es an billigen Späßen gegen die Kommerzienräte ebensowenig fehlt wie an der Vorführung des Großkaufmanns, zu dem Björnso „Fallissement“ die willkommene Vorlage geschaffen hatte. Daß nun Vertreter verschiedener Stände bürgerlicher Berufe auf die Bühne gebracht werden, ist nichts Neues. Man braucht nur an Ifflands „Spieler“ und „Jäger“ oder, um erlauchtere Beispiele vorzuführen, an Otto Ludwigs „Erbförster“ oder an den Tischler in Hebbels „Maria Magdalena“ zu erinnern.

Handwerker.

Der Unterschied besteht allerdings in zwei Momenten: dem einen, daß in den früheren Epochen der Stand etwas Zufälliges war, der nur einige äußere Lebensbedingungen bestimmte, dem anderen, daß sozialdemokratische Anschauungen darauf hingewirkt haben, gerade den Handwerkern einen breiteren Raum zu gewähren (die markantesten Typen hat hier Hauptmann in den „Webern“ geschaffen). Neu dürfte sein, daß die Diebe eine fast liebevolle Berücksichtigung finden, so daß Hauptmanns „Biberpelz“ geradezu eine Diebeskomödie heißt.

Gelehrte.

Neben dem Handels- und Handwerkerstande tritt der Gelehrtenstand hervor. Die „zerstreuten Professoren“ der Fliegenden Blätter sind glücklicherweise verschwunden. Auch der Gelehrte hat sich modernisiert: er ist entweder der elegante Weltmann oder der ernste Forscher geworden.

Schullehrer.

Beliebter als die Professoren wurden die Schullehrer. Max Dreyer ( „Der Probekandidat“, 1899) bahnte ihnen mit gutem Humor den Weg) die Lehrerkonferenz, jenes gefürchtete Gespenst, vor der die Schüler von ehemals und von heute zittern, erregte allgemeines Interesse, und die Mischung von pädagogischen Auseinandersetzungen und Lebenserfahrungen erfreute das Publikum, das sich gern durch Kindheitserinnerungen erfrischen läßt. Einen nicht minderen Erfolg erlangte Otto Ernst: Flachsmann als Erzieher (1901); einen noch weit größeren: Traumulus von Arno Holz und Oskar Jerschke (1902). Die Misch von idealer Auffassung und Schulfuchserei, weltmännischem Treiben und Pedanterie, der Kampf der Schuljugend gegen die Autorität und die nicht immer heilsame Bevormundung in diesen Stücken rief humoristische, mitunter rührende Wirkungen hervor; die Lehrer erschienen teils als junge forsche Herren mit Reserveleutnantston und -manieren, teils als schwächliche Idealisten und verhärtete Schulmeister, bis es Wedekind (Frühlings Erwachen) beliebte, sie auch als Trottel dem allgemeinen Gelächter preiszugeben.

Schauspieler.

Selten wurden die Künstler bedacht (vgl. Hauptmann und Sudermann und wenige Nachtreter), häufiger die Bohème: Holz: Sozialaristokraten (1896) und Ernst von Wolzogen: Lumpengesindel (1891), gelegentlich auch das Theater.

Jos. Ruederer hat z. B. ein derbes Schmierenstück geschrieben: „Hinterm

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1646. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/517&oldid=- (Version vom 20.8.2021)