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Zaun“, ein Stilleben, München 1908, in dem er sehr anschaulich das Elend einer in ein Dorf verschlagenen Komödiantentruppe darstellt. Freilich wie diese muntere Episode mit dem Leben eines verlotterten Hofschauspielerpaares verknüpft wird, ist ebenso gesucht, wie die Schilderung dieser gefeierten Künstler, die dabei hohle Menschen sind, äußerst konventionell.

Juden.

Wie zu Ifflands Zeiten kommen auch jetzt in den Dramen häufig Judenrollen vor. Dies geschieht entweder in historischen Stücken (vgl. Wilhelm v. Scholz) oder in Episodenrollen (die Person eines Schänkers im „Frühlingsopfer“ von Keyserling). Nicht selten sind die Handelnden Juden, ohne daß von ihrem Judentum viel die Rede ist.

Georg Hirschfeld zeichnet statt der sonst üblichen Momentbilder ein Lebensschicksal („Agnes Jordan“). Diese Gegenüberstellung einer tiefen weiblichen Natur und eines bildungsunfähigen, seinem Bauch und tierischen Gelüsten untertänigen Manne, der absolut unfähig ist, das Wesen der Frau, die in ihren Kindern eine neue Zukunft lebt, zu erkennen, ist ebenso anschaulich, wie die Darlegung des Kontrastes eines abgelebten Zeitraumes mit einem neuen, der in die Erscheinung tritt. Aber auch die Judenfrage selbst wird behandelt. Sehr eindrucksvoll geschieht dies in Schnitzlers „Professor Bernhardi“ (vgl. oben). Theodor Herzl und M. Nordau haben, der erstere in „Das neue Ghetto“ (1898), der letztere in „Doktor Kohn“ (1898) von zionistischen Anschauungen ausgehend, den Kampf des Deutschtums und Judentums poetisch zu vergegenwärtigen gesucht, aber mit geringer Kraft und einer höchst schwächlichen Lösung, denn der Untergang eines Juden, der nicht in ein Korps eintreten kann oder nicht zu einer Professur gelangt, ist kein Ausgang dieses gewaltigen Kampfes. Auch Hermann Sudermann hat die Frage gestreift. Im „Sturmgesellen Sokrates“ deutet er den Gegensatz zwischen dem deutsch-national gesinnten und dem der jungen Generation angehörigen Israeliten an, und in „Johannes“ gibt er ein trotz Kraft und Pracht gleich verunglücktes, sowohl historisch wie psychologisch falsches Bild der Zeit Jesu und ihrer Kämpfe.

Das erfolgreichste dieser Judenstücke ist gewiß K. Rößlers „Die fünf Frankfurter“ (1912). Es ist eine nicht üble Schilderung der fünf Söhne des Hauses Rothschild, wobei die hübsche Schilderung der alten Mutter der Barone, der Verehrung, die sie bei den Söhnen genießt und die starke Liebe eines Mädchens aus diesem Hause hervorzuheben sind, die sich nicht an einen Herzog verschachern läßt, sondern ihre Neigung zu einem ihrer Onkel durch einen Liebesbund betätigt. Schon früher (1905) hatte derselbe Dichter ein anderes Drama geschrieben: „Der reiche Jüngling“. Es ist nicht leicht zu begreifen, warum dieses gedankenreiche Drama, das nur etwas zu viel geben will, aber von Leben sprüht, so wenig Beachtung gefunden hat. Der Tod des Nathanael ist sein Gegenstand, des Jünglings, der als Sohn des reichen Wucherers Asarjah gilt, aber wahrscheinlich von Salome in Ehebruch mit dem Griechen Spintharos geboren ist, der, von Christi Lehre berührt, sein Gut verschenken will, seine schöne Schwägerin Ruth, die sich ihm aufdrängt, preisgibt und den Tod leidet. Der Gegensatz des Griechentums als der frohen Weltreligion und des Judentums, das als starre Gesetzverkündung aufgefaßt wird,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/518&oldid=- (Version vom 20.8.2021)