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Zahlkörper.

Die Erweiterung der von den Mathematikern betrachteten Zahlen bis zum Begriffe des Zahlkörpers ist seit etwa hundert Jahren zu verfolgen; wie Hilbert in seinem musterhaften Bericht über die Theorie der algebraischen Zahlkörper (1897) sagt, ist die Theorie der Zahlkörper der wesentlichste Bestandteil der modernen Zahlentheorie geworden. „Das Verdienst, den ersten Keim für die Theorie der Zahlkörper gelegt zu haben, gebührt wiederum Gauß. Er erkannte die natürliche Quelle für die Gesetze der biquadratischen Reste in einer „Erweiterung des Feldes der Arithmetik“, wie er sagt, nämlich in der Einführung der ganzen imaginären Zahlen von der Form a + bi; er stellte und löste das Problem, alle Sätze der gewöhnlichen Zahlentheorie, vor allem die Teilbarkeitseigenschaften und die Kongruenzbeziehungen, auf jene ganzen imaginären Zahlen zu übertragen. Durch die systematische und allgemeine Fortentwicklung dieses Gedankens, auf Grund der neuen weittragenden Ideen Kummers gelangten später Dedekind und Kronecker zu der heutigen Theorie des algebraischen Zahlkörpers.“ Die hier kurz geschilderte Entwicklung dieser Theorie fand vor 1889 statt; aber sie stand nicht still. Gerade Hilbert und seine von ihm angeregten zahlreichen Schüler sowie sein Freund Minkowski nebst manchen modernen deutschen Mathematikern haben den begonnenen Ausbau dieser Theorie kräftig gefördert.

Großer Fermatscher Satz.

Es möge hier erwähnt werden, daß Kummer durch ein Problem den Anstoß zu seinen Schöpfungen erhielt, das Hilbert unter den gegenwärtigen Problemen der Mathematik in dem schon angeführten Pariser Vortrage bespricht, nämlich den Beweis des „großen Fermatschen Satzes“, daß die Gleichung an + bn = cn in ganzen Zahlen a, b, c, n, außer für n = 2, unmöglich ist. Bekanntlich hat der von Wolfskehl ausgesetzte Preis von 100 000 Mark für die Erbringung des Beweises viele Mathematiker und noch mehr Nichtmathematiker leider dazu veranlaßt, ihre Zeit, ihre Kraft und ihr Geld vergeblich zu opfern. Kummer hat seine bezüglichen durch lange Jahre fortgesetzten Arbeiten ja dadurch belohnt gesehen, daß er den gesuchten Beweis wenigstens für eine sehr große Anzahl von Fällen erbracht hat.

Zahlentheoretische Arbeiten von Minkowski.

Wir können hier nur einzelne Entdeckungen aus der Zahlentheorie erwähnen, um zu zeigen, daß bedeutsame Fortschrittte gemacht wurden, und weisen deshalb auf die glänzenden Resultate hin, die Minkowski seit seinem ersten Auftreten errungen hat. Nachdem er als achtzehnjähriger Student mit seiner Abhandlung „Grundlagen für eine Theorie der quadratischen Formen mit ganzzahligen Koeffizienten“ den „Grand Prix des Sciences Mathématiques“ von der Pariser Akademie errungen hatte, wandte er sich mit größtem Erfolge der Theorie der quadratischen Formen und der mit ihr zusammenhängenden Fragen zu. „Seine auf das spezielle Gebiet der quadratischen Formen gerichteten Untersuchungen erhalten mehr und mehr den großen Zug ins allgemeine und gipfeln schließlich in der Schaffung und dem Ausbau der Lehre, für die er selbst den treffenden Namen ,Geometrie der Zahlen‘ geprägt

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/95&oldid=- (Version vom 20.8.2021)