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Nicht mit Undank lohne mir, versetzte,

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Sanften Vorwurf im Gesicht, Melinda:

Vorzugreifen wage nicht dem Schicksal!
Nimm den Ring, ich schütze deine Gattin.
Einst vielleicht vermag ich auch des Bruders
Aufenthalt in meinen Zauberbüchern,

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Ihm zu helfen willig, auszuforschen.

Lebe wohl indeß, o Sohn des Harun!
Also sprach und dann verschwand Melinda.
Stille kehrte mit dem Dunkel wieder,
Während ruhig Diwisade fortschlief.

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Assad aber säumte noch, er träumte

Halb und wachte halb, und halbgereifte
Nachtgedanken wälzt’ er im Gemüte.
Doch gemach erschien der Morgenröte
Sanftes Licht. Da ward ein lautes Pochen

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An der Thür des äußern Saals vernehmbar.

Aus dem Schlaf erwachte Diwisade:
Wehe mir! Mit seinen Häschern naht sich
Schehriar! Er ist’s! Er hat es gestern
Mir vorausverkündet, nach der Brautnacht

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Mich zu höhnen ob des schnöden Gatten!

Wenn ich selbst dir theuer bin, so fliehe!

Dich verlassen! rief der Abbasside.
Wiedersehn, erwiedert ihm die Gattin,
Werden wir in schönerer Zeit vielleicht uns.

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Jetzt entfliehe! Nicht dem Tod entgingst du,

Wenn du bliebst. Nicht meinethalben fürchte;
Denn vor Weibern zittert nicht der Wütrich,
Nimmer drum beraubt er mich des Lebens.
Grausam ist er, aber nie von Jähzorn

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Hingerissen; ohne Not und Vortheil

Pflegt er nicht im Blute sich zu baden.
Flieh' und rette dich für mich, Geliebter!

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)