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Winkend, schon entläßt sie ihn. Da kehrte,

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Während Alle sich entfernten, Assur’s

Thränenvolles Auge noch einmal sich
Nach der schönen Königin Selmira.
Tief erschüttert saß die stolze Fürstin,
Und dem Mitleid mußte zugestehn sie,

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Was sie zugestanden nicht der Liebe.

Gegen Scham in ihrem Herzen kämpfte
Mitgefühl; sie rief den eiligen Behram
Noch einmal zurück und sprach die Worte:
Zeuch in Frieden sammt den Deinen! Wähne

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Nicht, als könnt’ ich deiner schwererworbenen

Güter dich berauben; doch verkünde
Noch das Eine! Jener sanfte Jüngling,
Der so schwermutsvoll den Blick hinabsenkt,
Dessen Gang und Tracht und edle Haltung

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Keines Ruderknechts Geschlecht verraten,

Wer es ist, verkünde mir und gehe!

Ihr versetzte drauf der listige Behram:
Deine Huld, o Königin, ergießt sich
Gnadespendend über Alles! Dieser

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Knabe, den du deiner Frage wert hältst,

Meines Oheims jüngstes Söhnchen ist er,
Dient als Schreiber uns im Schiff. Geschieden
Aus dem Arm der hochbesorgten Mutter,
Peinigt Heimweh sein Gemüt, in diesem

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Zarten Alter ein gewohntes Uebel!

Aber länger hält sich nicht der Jüngling;
Mächtig tritt er aus dem Kreis des schnöden
Schiffervolks, die Schüchternheit bezwingend.
Würdigen Schritts und königlicher Miene

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Naht er schnell dem Thron, und vor der Fürstin

Beugt ein Knie er voll bescheidener Anmut.

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)