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Sieht geschliffen; aber plötzlich hört er
Gnade schrei’n, und ihn begrüßt das frohe
Tausendstimmige Lebehoch des Volkes.

Um der Seele vollen Drang zu stillen,

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Sich am Glück zu sättigen, auszusprechen

Allen Lüften seine Lust und Liebe,
Eilt hinunter nach den Gärten Assur,
Die vom Meer bespült und weit verbreitet
Rings der Königin Pallast umgaben.

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Eben sank der Sonnengott in seinen

Ocean, um schlafend, wie es alter
Völker Glaube war, in goldnem Kahne,
Längs der Erde morgenwärts zu schiffen.
Assurs Auge trank der letzten Stralen

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Milde Glut, und durch des heiligen Lorbeers

Grüne Wände, durch der Myrtenbüsche
Wohlgeruch beflügelt seinen Gang er,
Rosen pflückend für den schönsten Busen,
Und dem jungen Abendstern die eigne

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Seligkeit verkündend; nichts vermissend,

Als die Nähe seines Bruders Assad.
Immer aber wandte sein Gedanke
Nach der schönen Königin Selmira,
Wie die Blume nach dem Licht zurück sich.

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Ein Gewässer hört er endlich rauschen,

Und gelangt an einen prächtigen Springquell,
Der mit silberklaren Fluten über
Blanke Marmorstaffeln niedertanzte:
Unten theilend sich in Doppelarme,

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Links und rechts, war über niedre Mauern

Hingeführt er, welche, ganz bekleidet
Mit Jasmin, nur duftige Hecken schienen;
Schritt vor Schritt auf jener Mauer standen

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/65&oldid=- (Version vom 31.7.2018)