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Ausersehn. Mit einem Strahl von Hoffnung

Steigt er niederwärts die lange Treppe,
Wissend, daß der Bruder seines Schicksals
Härte kennt. Es flüchtete Dieser keuchend
Durch unwegsam rauhe, steinige Pfade,

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Auf den Fersen stets die Knechte Behrams.

Plötzlich sieht er einen Steg, geleitet
Ueber’n Bach, der durch die waldige Bergschlucht
Hell und stahlgrün sich ergoß und rauschend.
Allzuhastig will der Sohn des Harun

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Ueberspringen jene schmale Brücke;

Doch er strauchelt, und ein eiliger Fehltritt
Stürzt hinunter ihn; es führt der Bach ihn
Rasch hinweg mit angeschwollnen Wassern.
Als die Häscher ihn hinabgestürzt sehn,

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Jubeln laut sie auf, der Vordere ruft es

Seinem Hintermann, und alle kehren
Nach der Stadt zurück, gestillt die Rache.
Doch das Schicksal wollte nicht den frühen
Untergang des mutigen Abbassiden.

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Lang besinnungslos im Wellenstrudel

Fortgewälzt, erwacht zuletzt der Jüngling,
Und genes’t von seinem Traum. Was sieht er
Als das Aug’ er halb im Taumel aufschlägt?
Nicht das Waldgebirg erkennt er wieder,

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Das er kaum verlassen, nein − verwundert

Sicht er mitten in einem großen Saal sich,
Alterthümlich ausgeschmückt. Das Rätsel
Löst sich endlich. Eine Badehalle
War’s, geziert mit einem Marmorbecken:

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In das Becken goß von außenher sich

Jener Bach durch eine Maueröffnung,
Stets mit frischer Flut die schöne Muschel
Füllend, während durch die Gegenwand er
Wieder plätschernd und gediegen abfloß.

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)