Seite:Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius 810.png

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als diese Zwangsgedanken tritt im Leben des Einsiedlers und seiner Jünger eine Gruppe verwandter psychischer Vorgänge auf, in denen ein plötzlicher Gedanke an unheildrohende Dämonen heftigen Schrecken auslöst und starke Angstgefühle wachhält. Das Untersuchungsmaterial bietet eine Menge Belege dafür. Es sei nur an die typische Angst, vom Teufel in die Höhe gehoben und herabgestürzt zu werden, erinnert (c. 42). Charakteristisch für alle diese Befürchtungen ist, daß die ruhige Überlegung sie als unbegründet erkennt. Es handelt sich also um sog. Phobien. „Es ist klar, daß die Phobien zu den Zwangsideen zu rechnen sind und nur dadurch eine besonders markante Gruppe unter denselben bilden, daß eben das sie begleitende Gefühl das der Angst und Furcht ist.“[1] „Unter allen Umständen handelt es sich da, wo solche Zwangsvorstellungen und Angsterscheinungen auftreten, um einen Zustand reizbarer Schwäche im zentralen Nervensystem, als Teilerscheinung eines temporären oder dauernden funktionellen Schwächezustandes im Gehirn (Neurasthenie). Dies gilt auch für jene bekannten, noch physiologischen Zwangsvorstellungen und Zwangsimpulse zum Hinabstürzen von Türmen oder Felsen, Hinabstürzen anderer u. dgl. Immer treten sie da auf, wo eine relative Erschöpfung durch geistige Überanstrengung, schlaflose Nacht, Nahrungsmangel usw. besteht“[2] – Ursachen, die bei den ägyptischen Aszeten in hohem Maße vorlagen. Ist sonst das Taedium vitae eine Begleiterscheinung solcher Zustände (Kr.–Ebing 209), so hier speziell das Taedium vitae monasticae (c. 25). „Auf der Höhe des Krankheitszustandes fehlen selten schreckhafte Sinnestäuschungen (Gehör, Gesicht) und schreckliche Vorstellungen drohenden Unheils, in welchen die Angst sich objektiviert“ (Kr.–Ebing 208).

     Indes, so wird mancher Leser im stillen einwenden, wenn es sich um rein psychische Vorgänge, um Zwangsgedanken und Phobien handelt, warum haben sie bei Antonius denn gerade und beständig das Treiben von Dämonen zum Inhalt. Die These wäre doch erst dann wahrhaft und allseitig begründet, wenn auch der Nachweis erbracht würde, daß die Entwicklung einer Dämonophobie für Antonius und seine Mönche im Bereiche nicht bloß der Möglichkeit, sondern auch der Wahrscheinlichkeit lag. Nun gut! Ich kann zwar in diesem Zusammenhang nicht ausführlich die außerordentliche Macht darlegen, die der Dämonenglaube über die sinkende alte Welt, in welche die junge Christenheit mit seelischer Hochspannung hineinwuchs, ausgeübt hat. Nach J. Dölgers vortrefflicher Studie: Der Exorzismus im altchristlichen Taufritual (Paderborn 1909) ist es auch nicht mehr notwendig. Er bezeichnet auf Grund zahlreicher Quellen als die gemeinschaftliche Auffassung des Urchristentums: „Mit dem Heiden und Ketzer ist der Teufel verbunden, er wohnt in ihm“ (S. 24). „Ein jedes schwere Vergehen hat zur Folge, daß der Teufel in das Menschenherz eindringt“ (S. 25). Neben dieser ethischen Besessenheit, die gewöhnlich nicht realistisch genug verstanden wird, fürchtet das christliche Altertum auch sonst noch die mannigfachsten Nachstellungen der Dämonen. Ich beschränke mich auf Zeugnisse aus Ägypten, der Heimat unseres Einsiedlers. Klemens von Alexandrien hat uns ein Exzerpt aus Theodot aufbewahrt, das folgende merkwürdige Belehrung gibt: „Eigentlich müßte man zur Taufe mit freudig erregtem Herzen hinzutreten. Allein, da es öfters vorkommt, daß


  1. Jul. Beßmer S. I., Störungen im Seelenleben, Freibg. 1907, S. 71 f.
  2. Krafft–Ebing S. 61.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_810.png&oldid=- (Version vom 9.12.2016)