Seite:Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius 825.png

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Hâtif, den Rufer, sondern auch den Ragl, auf den sie die Wüstenvisionen zurückführen. Die Gesichtstäuschungen in der Wüste werden durch nebelhafte Dünste und die Brechung des Lichtes begünstigt. Für andere Gesichtshalluzinationen liegt die Ursache deutlich im Organismus, z. B. wenn dem Einsiedler während seines Fastens der Teufel mit Scheinbrot entgegentritt (c. 40). Dem von langem Fasten erschöpften Makarius, dem Alexandriner, führt der Teufel sogar ein ganzes Kamel vor, dessen Rücken mit Speisen beladen ist.[1]

     Die Sinnestäuschungen treten laut der vita Antonii häufig in der Nacht, teilweise wenigstens im Schlafe auf. Tatsächlich ist auch der Zusammenhang zwischen Phobien und Angstträumen ein recht inniger. „Die Gefühle des Tages rufen Träume hervor, und diese verstärken und vertiefen die Gefühle.“[2] Grade „die Schlaftrunkenheit ist ein fruchtbarer Boden für Sinnestäuschungen aller Art“.[3] Zwar berichtet Athanasius nicht jene charakteristische Form des Alpdrucks, wo sich der Dämon in Gestalt eines Tieres auf die Brust des Schläfers hockt und ihn würgt, bis dieser durch eine Bewegung die Atmungshemmung beseitigt. Aber manches einzelne Element, das vom Alptraum her bekannt ist, kehrt bei Antonius wieder. Wie beim Alptraum, sieht auch der Einsiedler die Schreckensgestalten zum Ansprung wider ihn ansetzen, jedes Tier ganz nach seiner Art. Ähnlich wie im Alpdruck taucht vor Antonius die Gestalt eines Dämons auf, der in die Höhe wächst bis an die Decke seiner Behausung und sich gewaltig in die Breite ausdehnt. Ein solches Bild erklärt sich leicht als Ausdruck einer wachsenden Atmungsbeschwerde, welche zur Folge hat, daß sich die Kohlensäure und die anderen erstickenden Produkte unseres Stoffwechsels im Blute sammeln und das Nervensystem reizen. So erklärt wenigstens Binz[4] die Entstehung von Alpträumen durch eine akute Vergiftung. Radestock führt unruhigen Schlaf und lebhafte Träume auch auf die Unterdrückung der Hauttranspiration zurück.[5] Nun erwäge man, daß der Heilige trotz des Wüstenstaubes und der Tropenhitze nie den Körper durch ein Bad erfrischte. Man bedenke, daß er den innersten Winkel einer längst verlassenen Verschanzung, die, wie es scheint, nur von oben her zugänglich war, bewohnte, und am Boden, von der schwersten verdorbenen Luft umgeben, schlief. Dann wird man seine häufigen Angstträume, die ohne Zweifel einerseits mit seinen Zwangsgedanken in engem Zusammenhang stehen, auch physiologisch leicht erklären können.

     „Der Teufel, der Elende verstand sich sogar dazu, bei Nacht die Gestalt eines Weibes anzunehmen und es in allem nachzuahmen, um Antonius zu betören“ (c. 5). Ähnliche Berichte sind aus dem Altertum nicht selten. Augustinus gibt referierend die weit verbreitete Meinung wieder, daß Silvane und Pane, die man gewöhnlich incubi nennt, sich oft frivol den Weibern gezeigt und ihr Beilager verlangt und erlangt hätten. Einige Dämonen, welche die Gallier Dusii nennen, versuchten und verübten ständig solche Unlauterkeit.[6] Auch Philostratus erzählt im Leben des Apollonius von Tyana


  1. Hist. Monach. XXVIII ed. Preuschen (Palladius u. Rufinus 1897, S. 87).
  2. Radestock S. 151.
  3. C. Cubasch, Der Alp, Berlin 1877, S. 25.
  4. C. Binz, Über den Traum, Bonn 1878, S. 26.
  5. Radestock S. 119.
  6. August. De civit. Dei XV 23 (ed. Hoffmann, CSEL. XL 110). Vgl. zu Silvanos et Panes, quos vulgo incubos vocant, bei Hieronymus, vita Pauli c. 8: gentilitas Faunos, Satyrosque et Incubos vocans colit.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_825.png&oldid=- (Version vom 6.7.2023)