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„Ich habe keinen Namen mehr, habe auch nie einen bekannten gehabt,“ begann letzterer wieder, „ebensowenig brauchst Du meine Nationalität zu wissen. Man nennt mich hier den Meister, die anderen Mitglieder unserer Kolonie führen nur Nummern. Ich war bis vor fünfzig Jahren Ingenieur, zuletzt auf einem Taucherschiffe, hatte schon manche wichtige Erfindung gemacht und war immer um jeden Vorteil betrogen worden. Meine Gefühle damals und was ich alles erlitten habe, brauche ich Dir nicht zu schildern; ich könnte es auch gar nicht, weil schon längst alle Bitterkeit aus meinem Herzen geschwunden ist. Zuletzt konstruierte ich einen brauchbaren Taucheranzug, der jedem Drucke widerstand, und war diesmal so klug, meine Entdeckung für mich zu behalten. Diese vervollkommnete sich immer mehr, und bald konnte ich mich, frei wie ein Fisch, im Wasser und in jeder Tiefe bewegen. Aber immer tauchte ich allein, und so fand ich eine Perlenbank, und bald standen mir überhaupt alle Schätze des Meeresbodens zur Verfügung, kurz, ich war ein reicher Mann und konnte nun mein Ideal verwirklichen, von dem ich schon oft geträumt hatte.

Wir befanden uns im atlantischen Ocean, teils in, teils unter einem Felsenberge, der den Schiffern wohlbekannt und von ihnen gemieden ist. Er gilt als unersteigbar; niemand hatte ja auch auf der himmelhohen Klippe etwas zu suchen. Als ich in seiner Nähe einmal tauchte, fand ich zufällig einen unterseeischen Tunnel, denn dieser Felsenberg war nicht massiv, sondern hohl und nur von Wänden gebildet. Er paßte mir am besten als Ausgangspunkt meiner Pläne. Ich warb Leute, teils Kameraden, die mit mir harmonierten, teils solche, die aus bitteren Erfahrungen weltflüchtig geworden waren, teils bedeutende, aber verkannte Genies, die gern auf Ruhm und Ehre verzichteten, wenn sie nur ihre Pläne ausführen durften. Mit diesen siedelte ich hierher über; meine unerschöpfliche Schatzquelle erlaubte ja alles, was für Geld nur erreichbar war; wir luden alles Mitgebrachte aus und senkten das Schiff auf den Grund. Nun waren wir ganz allein auf uns angewiesen.

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Robert Kraft: Die Ansiedelung auf dem Meeresgrunde. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Ansiedelung_auf_dem_Meeresgrunde.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)