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Im Vorübergehen wollen wir einen muthigen Blick in die Tiefe der Geschichte werfen, in welche die langen, zarten Wurzelfäden der Kunstblüthe sich hinunterziehen, um oben mit der Fülle der Farben uns zu entzücken; denn was wir nicht im Zusammenhange mit dem Allgemeinen, können wir auch nicht im Besonderen verstehen.

Die alte, vorchristliche Welt begriff die Gottheit als Offenbarung der in der Natur zur Erscheinung kommenden Elementarkräfte. Die Natur, als ein belebtes und im Lebendigen erscheinendes Wesen gedacht, hat keinen anderen Zweck, als die Erscheinung ihres zur äußeren Form sich herausbildenden Gemüthes. Demnach würde das plastische Ideal in der unbedingt vollkommensten Aufhebung der schaffenden Idee in ihrer Form und dieser wieder in ihrer Idee bestehen. Da aber zwischen der Idee der schaffenden Natur und der durch die Materie vermittelten Form immer ein Bruch bleiben muß, welcher die ideale Erscheinung unmöglich macht, so konnte die Natur nur durch den Menschen in der Kunst zu sich selbst erlöst werden. Diese Erlösung zum Ideale der Schönheit hat sie bei den alten Griechen gefunden. An ihrem Ziele mußte jedoch der idealen Natur der ihr feindliche Gegensatz von selbst entgegentreten. Dieser war das Christenthum, welches die Natur und ihre Vergötterung im Idealen als das teuflische, sinnliche Princip zu Boden trat. Mythisch hat das Christenthum diesen Sieg

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)