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Stadt, in welcher ritterliche Familien römischer und deutscher Herkunft hausten. Solche Städte, wo sich gewaltige Menschenelemente durcheineinander mischen, sind wie ein Brennglas, in welchem sich alle Strahlen der Sonne zum zündenden Puncte zusammenfassen. So in Florenz. Die Kämpfe und Krämpfe des Mittelalters waren hier zusammengepreßt in den Kreis einer Stadtringmauer. Ich habe diesen Gedanken in einer Tragödie: „die Bräute von Florenz,“ zum Thema genommen. In Florenz steigerten sich die Gegensätze des mittelalterlichen Lebens in ununterbrochenen Revolutionsgährungen empor bis zu ihrer Vernichtung und Verklärung in der Poesie und Kunst. Wir sehen dieselbe Entwickelung in dem Leben der Pflanze; nur dadurch, daß es sich selbst zu überbieten sucht, drängt es sich in eine Knospe zusammen und verklärt sich sterbend in der Blüthe. So die alte Welt in Athen, so das Mittelalter in Florenz.

Wie von hier aus hellenische Kunst und Wissenschaft heimlich unterwühlend den Kampf mit dem mittelalterlichen Geiste begonnen und als feines Gift die damaligen Weltzustände bis in die feinsten Adern durchdrungen haben, davon zeugt der zu gleicher Zeit eingetretene Verfall aller jener Lebensformen. Damals schien jegliche Gottheit aus der Welt gewichen zu sein, in welcher nur noch die sinnliche Schönheit, die verwegene Leidenschaft, zügellose Begier und das mordlustige Verbrechen allmählig Raum gewannen.

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)