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Selbst Begebenheiten im alten oder neuen Testamente geben ihm nur die äußerliche Veranlassung und den Titel, sie als ein niederländisches Mährchen darzustellen. Sieht man von der Benennung eines solchen Bildes ab, so glaubt man eines der alten Mährchen, wie sie Grimm wieder erzählt, in lebendigen Gestalten zu sehen.

Die Geistererscheinung.

Nach dem Katalog sollen wir auf diesem Bilde die Aeltern Simson’s sehen, welchen ein Engel die Geburt des Sohnes verkündigt. Der Engel ist aber ein alter und, wie es scheint, bärtiger Mann, in einem Leichenhemde. Das stimmt nicht. Sollte es die Hexe von Endor sein? – Vielmehr stellt das Bild eine willkürliche Mährchenscene vor, welche überall vorkommt, wo in einem solchen ein Geist beschworen wird.

In einem dämmerigen, kellerartigen Gemache wird ein Thiereingeweide auf einer Steinplatte verbrannt. Uns quervor knieet Saul, weiter zurück und vor dem Opferfeuer die Hexe. Sie ist in blutfarbiges Zeug gehüllt. Sie hat die Hände gefaltet und spricht mit gesenktem Haupte ihren Zauberspruch. Samuel’s Geist ist emporgestiegen und schwebt an der Wand hin. Um das lange Haar trägt er die Priesterbinde. Das bärtige Gesicht ist lichtscheu, grauenvoll abgekehrt. Saul hat sich vor der Erscheinung herumgewendet.

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/155&oldid=- (Version vom 31.7.2018)