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Schule seines Meisters. Im Jahre 1504 treffen wir Raphael in Florenz, wo die toskanische Kunst ihre höchste Blüthe eben erreicht. Durch sie wird Raphael von der Manier seines Lehrmeisters gänzlich befreit. Vier Jahre darauf, 1508, neun Jahre vor dem Augenblick, wo Luther die 95 Theses und in ihnen die Kriegserklärung gegen Rom anschlug, wird Raphael an den Hof des prächtigen Papstes Julius II. berufen, um die Prachtgemächer des Vaticans mit Frescogemälden zu schmücken. So sollte in ihm und seiner Kunst die Allgewalt der römischen Kirche ihre höchste Verklärung in derselben idealen Form erhalten, in welcher die hellenische Welt vor ihrem Untergange ihre Erfüllung gefunden hatte.

Wir stehen hier vielleicht vor dem gewaltigsten Bilde, welches Raphael geschaffen hat. Wir schlagen davon die zwei Hälften des grünen Vorhanges zurück, und vor uns erscheint

Madonna di San Sisto.

Aus dem lichtblauen Himmel der Cherubim, welcher uns aus unzähligen Kindergesichtern anblickt, erscheint Marie mit dem Jesusknaben. Zu ihrer Rechten unten knieet der heilige Sixtus in weißer Tunica, darüber ein Pallium von Goldstoff, neben ihm unten auf dem Proscenium, welches die Zuschauer von dem heiligen Schauspiele trennt, seine Tiara. Zur Linken Maria’s knieet die heilige Barbara. Unter der Wolke, auf welcher die schwebenden Füße Maria’s zu ruhen scheinen,

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)