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zur Sentimentalität unserer Tage heruntersinkt. So kommt es, daß der schwächliche

Carlo Dolci,

welcher in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts in Florenz blühte, noch jetzt der Liebling des zartsinnigen, gebildeten Publikums ist. Hier bewundert man seine

heilige Cäcilie,

welche freilich ein Vorbild aller Claviervirtuosinnen mit dem berühmten Augenniederschlage der Henriette Sonntag ist. Die Attitüde, in welcher sie dem Instrumente harmonische Töne entlockt, ist des Einstudirens werth. Sie kann kaum ihre Wirkung verfehlen, zumal in einem ästhetischen Salon. Wir würden nicht so ungalant sein, an ihrer Unschuld zu zweifeln, selbst wenn der Maler den großen Lilienzweig neben ihr anzubringen vergessen hätte.

In gleicher Sentimentalität stellt sich seine

Tochter der Herodias

mit dem Haupte Johannis auf der Schüssel dar. Man vergleiche diese Herodias mit der oben besprochenen, angeblich aus der Schule des Leonardo da Vinci, um den Contrast zwischen dem unmittelbaren und dem durch Sentimentalität erkünstelten Kunstsinn sich zu Bewußtsein zu bringen.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)