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Reni rief, als er ein Gemälde von Rubens sah: „Er mischt Blut unter seine Farben!“ Er ist der Shakespeare unter den Malern. Beide werden selten verstanden, noch weniger geliebt in matter Zeit, wo der Theekessel die Wallungen des Blutes besorgt.

Ein Kunstliebhaber thut aber immer gut, sich wenigstens so anzustellen, als verstehe und liebe er beide; doch kann er an dem Einen die Schwulst der Rede und bei dem Anderen den Mißbrauch convexer Linien bei incorrecter übereilter Zeichnung tadeln, ohne sich bloß zu geben, – Glanz, Lebhaftigkeit und Pracht der Farbe in beiden bewundern, es versteht sich, bei Shakespeare vergleichweise. So sind auch beide groß in den Contrasten der Composition, in der Draperie prächtig und schwer, überall aber geistvoll, selbst anmuthig und leicht bis zur Mißhandlung der Mittel zur Darstellung.

In Rubens’ Künstlergemüthe hat sich jene große Zeit des Umsturzes und des Kampfes in allen ihren Leidenschaften zur Darstellung in der Allegorie und Analogie concentrirt. Er war darin reich, gelehrt und gewandt. Er ist selbst da allegorisch, wo er nicht daran gedacht hat. Er ist der unübertroffene Meister der historisch-politischen Malerei, von welcher freilich unsere Kunstkenner noch nichts träumen, obschon in einer verwandten Kunst, in der dramatischen, dasselbe Streben, das Volk zu erfreuen, beginnt.

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Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)