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Walther Kabel: Die Empfehlungsbriefe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 13, S. 228–229

Die Empfehlungsbriefe. – Als sich die Vermögensverhältnisse Anton Rubinsteins, der sich später als Pianist und Komponist einen weltberühmten Namen machte, durch den Tod seines Vaters im Jahre 1846 sehr verschlechterten, entschloß er sich, nach Wien zu gehen, wo er an Liszt, den er in Paris flüchtig kennen gelernt hatte, einen Rückhalt zu finden hoffte. Rubinstein brachte aus Paris von dem dortigen Minister S. eine große Anzahl von Empfehlungsschreiben für die führenden Persönlichkeiten der österreichischen Hauptstadt mit, darunter auch eines an Liszt.

Als er diesen dann als ersten aufsuchte und ihm den Empfehlungsbrief überreicht hatte, war er bitter enttäuscht über die kurze Art, wie Liszt ihn abfertigte.

„Junger Mann,“ sagte dieser, „wer Talent hat, muß auf seine eigene Kraft zählen und darf sich nicht auf die Hilfe anderer stützen wollen.“

Damit war Rubinstein entlassen. Liszt hatte ihn nicht einmal zum Platznehmen aufgefordert.

Ähnlich erging es ihm dann auch bei einigen anderen Leuten, an die er Empfehlungsschreiben besaß. Überall fand er die gleich kühle, ablehnende Aufnahme. Hierdurch stutzig gemacht, öffnete er einen der Empfehlungsbriefe, der an die Gräfin

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Empfehlungsbriefe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 13, S. 228–229. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Empfehlungsbriefe.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)