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Jahrhundert leben wird, und von dem noch seine Enkel die Früchte sammeln werden. Wenn er einen Hektar jungfräuliche Erde urbar gemacht hat, so hat sich damit die Erbschaft der kommenden Generationen um ebenso viel vermehrt. Die Landstraße, der Kanal, die Brücke, das Haus und seine Möbel sind ebenso viele Reichtümer, die den folgenden Generationen vermacht werden.

Aber das ist es nicht, worum es sich handelt. Man sagt uns, daß der Bauer mehr Getreide produziert, als er verzehren kann. Man könnte vielmehr sagen, daß der Staat, der von jeher sich einen guten Teil der Produktion in Form von Steuern aneignete, der Priester, der dies in der Form von Zehnten tat und der Eigentümer, der seine Rente beziehen wollte, daß diese drei Mächte eine ganze Klasse von Menschen geschaffen haben, welche ehemals wohl konsumierten, was sie produzierten, – vielleicht mit Ausnahme des Teils, den sie für unvorhergesehene Fälle oder in Anlagen in der Form von Bäumen und Landstraßen usw. unverzehrt ließen, – die aber heute gezwungen sind, sich von Kastanien und Mais zu ernähren und Gesindewein zu trinken, weil alles übrige sich der Staat, der Eigentümer, der Pfaffe und der Wucherer aneignet.

Wir ziehen es vor, zu sagen: „Der Bauer konsumiert weniger, als er produziert, weil er gezwungen ist, auf Stroh zu schlafen, sich mit Gesindewein zu begnügen und Roggen zu essen, und die Federn, den guten Wein und den Weizen verkaufen muß.“

Bemerken wollen wir schließlich noch, daß, wenn man die Bedürfnisse des Individuums zum Ausgangspunkt wählt, man notwendigerweise zum Kommunismus gelangen muß, als einer Organisation die es gestattet, allen Bedürfnissen in der vollkommensten und ökonomischten Weise zu genügen. Geht man dagegen von der gegenwärtigen Produktion aus, und hat man stets nur den Gewinn oder den Mehrwert im Auge, ohne sich zu fragen, ob die Produktion der Befriedigung der Bedürfnisse entspricht – so kommt man notgedrungenerweise zum Kapitalismus oder auch zum Kollektivismus – beide aber sind nur verschiedene Erscheinungsformen des Lohnsystems.

Wenn man einmal den Bedürfnissen des Individuums und der Gesellschaft, und den Mitteln, deren sich der Mensch während der verschiedenen Entwicklungsphasen zu ihrer Befriedigung bedient hat, die Hauptaufmerksamkeit schenkt, da drängt sich einem auch die Ueberzeugung auf, daß man die Anstrengungen zu einem gemeinschaftlichen Zwecke vereinigen müsse, anstatt sie den Zufällen der gegenwärtigen Produktion zu überlassen. Man begreift alsdann, daß die Aneignung aller nicht verzehrten Reichtümer durch einige Wenige und ihre Vererbung von Generation auf Generation geschieht. Man konstatiert, daß auf diesem Wege die Bedürfnisse von drei Vierteln der Menschheit unbefriedigt bleiben, und daß die Vergeudung menschlicher Kraft ebenso unnütz wie verbrecherisch ist.

Man begreift endlich, daß der vorteilhafteste Verbrauch aller Produkte der ist, welcher der Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse dient, und daß der Nutzwert eines Produktes nicht von einer einfachen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/159&oldid=- (Version vom 27.8.2018)