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die Fabriken, die Manufakturen expropriieren, – ganz unsere Meinung“ sagten sie. „Dies alles sind Produktionsmittel und es ist nur gerecht, sie als unser Eigentum zu betrachten. Aber es gibt außerdem Verbrauchsgegenstände: die Nahrungsmittel, die Kleidung, die Wohnung, – diese müssen Privateigentum bleiben.“

Der gesunde Menschenverstand des Volkes hat Recht, wenn er diesen Unterschied spitzfindig bezeichnet. In der Tat, wir sind keine Wilden, die im Walde unter einem Dach von Zweigen leben können. Der arbeitende Europäer bedarf eines Zimmers, eines Hauses, eines Bettes, eines Herdes.

Das Bett, das Zimmer, das Haus sind Orte des Nichtstuns für denjenigen, der nichts produziert. Aber für den Arbeiter ist ein geheiztes und erleuchtetes Zimmer ebenso gut Produktionsmittel, wie die Maschine oder das Werkzeug. Es ist der Ort der Erholung seiner Muskeln und Nerven, deren er morgen wieder bei der Arbeit bedarf. Die Ruhe des Produzenten bedeutet den Gang der Maschine.

Noch augenscheinlicher ist dies bei der Nahrung. Die sogenannten Oekonomisten, von denen wir sprechen, haben niemals daran gedacht, zu sagen, daß die in einer Maschine verbrennende Kohle nicht unter die Gegenstände zu rechnen sei, die für die Produktion ebenso unentbehrlich als die Rohstoffe sind. Und wie käme man nun dazu, die Nahrung, ohne welche die menschliche Maschine nicht die geringste Kraftleistung vollbringen könnte, von den für den Produzenten unbedingt notwendigen Gegenständen auszuschließen? Wäre dies nicht ein Rest religiöser Metaphysik?

Die überreichliche und raffinierte Mahlzeit des Reichen mag wohl ein Luxusgegenstand sein. Aber die Mahlzeit des Produzenten ist eines der für die Produktion notwendigen Gegenstände, ebenso wie die Kohle, die in der Dampfmaschine verbrennt.

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Ebenso steht es mit der Kleidung. Wenn die Oekonomisten, welche diesen künstlichen Unterschied zwischen den Produktions- und Konsumtionsgegenständen machen, das Kostüm des Wilden von Neu-Guinea tragen würden – so würden wir diese Vorbehalte begreifen. Aber diese Männer, welche nicht eine Zeile schreiben könnten, ohne ein Hemde am Leibe zu haben, sind nicht dazu berufen, einen so großen Unterschied zwischen ihrem Hemde und ihrer Feder zu machen. Und wenn die aufgeputzten Kleider ihrer Frauen Luxusobjekte sind, so gibt es eine Quantität Leinwand, Baumwolle, deren der Produzent für die Produktion nicht entraten kann. Die Bluse und die Schuhe, ohne welche der Arbeiter sich schämen würde, zur Arbeit zu gehen; der Rock, den er nach beendigter Arbeit anlegt, seine Mütze sind ihm ebenso notwendig, wie der Amboß und der Hammer.

0b man will oder nicht will, das Volk versteht nur so die Revolution. Sobald es einmal die heutige Herrschaft hinweggefegt haben wird, wird es vor allem sich einer gesunden Wohnung, einer hinlänglichen Nahrung und der Kleidung zu versichern suchen, und zwar, ohne einen Tribut zu zahlen.

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/53&oldid=- (Version vom 21.5.2018)