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gern für einige Stunden täglich der Arbeit widmen, die sie gewohnt sind. Sie werden mit jenen großen Wohnungen, die einen ganzen Stab von Dienern erfordern, aufräumen. In wenigen Monaten werden nötigenfalls Hunderte von Häusern, viel praktischer und gesunder eingerichtet als die heutigen, entstanden sein. Und vor der Hand wird die anarchistische Kommune zu denen, die noch ein ungenügendes Heim haben, sagen:

„Geduldet euch ein wenig, Kameraden! Gesunde, komfortable und schöne Paläste, allen denen, welche die Kapitalisten erbauten, weit überlegen, werden sich in Kürze auf dem Boden der freien Stadt erheben. Sie werden denen gehören, die deren am meisten bedürfen. Die anarchistische Kommune baut nicht, um für sich Vorteile zu schaffen. Die Gebäude – wahre Monumente, welche sie für ihre Bürger errichtet, werden, ein Produkt des Kollektivgeistes, der ganzen Menschheit als Muster dienen und – sie werden euch gehören.“

Wenn das revoltierende Volk die Häuser expropriiert und die Unentgeltlichkeit der Wohnung, die Ueberführung sämtlicher Gelasse in Gemeineigentum und das Recht jeder Familie auf ein gesundes Quartier proklamiert, so wird die Revolution mit ihrem Beginn einen kommunistischen Charakter haben und wird einen Weg einschlagen, von dem man sie nicht so bald wieder abbringen kann. Sie wird einen tödlichen Streich gegen das individuelle Eigentum geführt haben.

Die Expropriation der Häuser birgt im Keime die ganze Revolution in sich. Von der Art, wie sich erstere vollzieht, wird der Charakter der weiteren Ereignisse abhängen. Entweder öffnen wir mit derselben eine breite und ebene Bahn zum anarchistischen Kommunismus, oder wir werden noch weiterhin in dem Schmutze des autoritären Individualismus herumwaten.

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Es ist leicht, die tausend Einwürfe, die man uns machen wird und die teils theoretischer, teils praktischer Natur sind, vorherzusehen.

Da es sich darum handelt, um jeden Preis die Ungleichheit zu erhalten, so ist es sicher, daß man im Namen der Gerechtigkeit sprechen wird: „Ist es nicht unerhört, daß die Pariser sich in ihrem Interesse der schönen Paläste bemächtigen und den Bauern ihre Ställe lassen wollen?“ wird man ausrufen. Doch lassen wir uns nicht täuschen. Diese mutigen Verfechter der Gerechtigkeit übersehen mit einer ihnen eigenen Geistesgewandtheit vollständig die schreiende Ungleichheit, zu deren Verteidiger sie sich machen. Sie vergessen, daß der Pariser Arbeiter in seiner Höhle von Wohnung erstickt – er, seine Frau und seine Kinder – während er von seinem Fenster aus den Palast des Reichen erblickt. Sie vergessen, daß ganze Generationen in den übervölkerten Vierteln aus Mangel an Luft und Licht umkommen und daß die Beseitigung dieser horrenden Ungerechtigkeit die erste Pflicht der Revolution sein müßte.

Lassen wir uns nicht in unserem Werke durch diese nur dem Eigennutze entstammenden Einwürfe aufhalten. Wir wissen, daß die Ungleichheit, welche wirklich zwischen Paris und dem Dorfe bestehen

Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/80&oldid=- (Version vom 3.6.2018)