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Walther Kabel: Die Furcht vor Mäusen und Ratten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 1, S. 218–222

im letzten Augenblick zur Umkehr zwang. Niemand vermochte das Rätsel zu lösen.

Da wurde eines schönen Tages das Geheimnis von einer Seite gelüftet, von der man es am wenigsten erwartet hatte. Auf der Redaktion der verbreitetsten Zeitung Sevillas meldete sich der Vertraute des Argentiniers, ein Mann namens Benavo, und erbot sich, gegen eine entsprechende Belohnung die Lösung des Rätsels mitzuteilen. Massacero habe ihm nämlich den versprochenen Anteil an der Gage bisher vorenthalten, sei überhaupt ein ganz gemeiner Charakter und verdiene nichts Besseres. So kam die Sache heraus.

Massacero war, bevor er nach Spanien kam, in Argentinien jahrelang Rinderhirte gewesen und hatte so Gelegenheit gehabt, die Eigentümlichkeiten seiner gehörnten Schützlinge genau zu studieren. Hierbei war es ihm denn auch nicht entgangen, daß die Rinder einen nicht zu überwindenden Widerwillen gegen den scharfen Geruch der Moschusratte hatten. Aus Übermut hatte er des öfteren gerade die wütendsten Stiere der Herde dadurch in die Flucht geschlagen, daß er ihnen eine an einer Stange befestigte tote Moschusratte hinhielt. Vor dem durchdringenden Geruch nahmen die Tiere, mochten sie noch so sehr gereizt sein, immer wieder Reißaus. Diese vielfach erprobte Eigenart suchte Massacero dann zum Geldverdienen zu verwerten. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß auch die in Spanien besonders für die Stierkämpfe gezüchteten Rinder prompt auf den Moschusgeruch reagierten, begann er mit seinem öffentlichen Auftreten. Ohne daß die Angestellten der Arena etwas davon ahnten, sperrte er in dem mit Löchern versehenen Podium eine große Anzahl von Moschusratten ein, die er von Südamerika mitgebracht hatte. Mit Hilfe seines Vertrauten Benavo gelang es ihm dann auch fernerhin, die berüchtigten Nagetiere vor aller Augen zu verbergen. Es war also nicht Juan Massaceros dunkles Auge, das die Stiere in die Flucht trieb, sondern lediglich der den gehörnten Wiederkäuern so widerwärtige Geruch der in dem Podium eingeschlossenen Ratten.

Mit dem Verrat Benavos hatte die des geheimnisvollen

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Walther Kabel: Die Furcht vor Mäusen und Ratten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 1, S. 218–222. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Furcht_vor_M%C3%A4usen_und_Ratten.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)