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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

anderen spirituösen Flüssigkeiten. Sein Erfinder, der Mechanikus Geißler hat dasselbe mit einer genauen Gebrauchsanweisung versehen und in den meisten Ländern patentiren lassen. Es besteht aus folgenden vier Haupttheilen, die aber beim Gebrauche zu einem Ganzen vereinigt werden: 1) Aus einem Messinggefäße A, das bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt und durch eine untergesetzte Spirituslampe erhitzt wird. – 2) Aus einer doppelt gebogenen Glasröhre BB, welche nebst der Scala auf einer Messingplatte m befestigt ist, die sich auf das Gefäß A schieben läßt. 3) Aus einem starken Glasgefäße C, das mit Quecksilber und der zu prüfenden Flüssigkeit gefüllt wird und dessen gut ausgeschliffener Hals bc, so über das abgeschliffene Ende s der Glasröhre B B paßt, daß es sich bis zum Theilstriche b auf die Röhre setzen läßt und durch diese gleichsam verschlossen wird; wenigstens kann nun der Inhalt des Gefäßes nur in die Röhre B treten. 4) Aus einem doppelwandigen Messingcylinder D, in dessen oberem Theile sich ein Thermometer befindet. Dieser paßt genau auf einen auf der Messingplatte des zweiten Stückes befindlichen Messingring und wird bei dem Gebrauche des Instrumentes über das Gefäß C gestülpt und auf den erwähnten Ring gesetzt. Er hat den Zweck, die aus dem Gefäß A aufsteigenden heißen Dämpfe aufzunehmen, so daß diese von allen Seiten mit dem Gefäße C in Berührung kommen können.

Will man nun mit diesem Apparate eine Weingeistbestimmung vornehmen, so verfährt man der Hauptsache nach auf folgende Weise: Das Gefäß C wird bis zum Theilstriche a mit Quecksilber gefüllt, vom Theilstriche a bis zum Theilstriche b mit der auf den Weingeistgehalt zu prüfenden Flüssigkeit, wobei man sich eines kleinen Stechhebers E bedient. Nun steckt man das Ende s der Glasröhre B, an welcher die Scala befestigt ist, in den Hals des gefüllten Gefäßes, bis zum Striche b und kehrt nun das Ganze um, so daß der Hals bc des Gefäßes abwärts, die Scala aufwärts zu stehen kömmt. Ist das geschehen, so schiebt man diesen Theil des Apparates auf das Kochgefäß A, stellt endlich den Cylinder D darüber und erhitzt das Wasser im Kochgefäß bis zum Sieden. Durch die heißen Wasserdämpfe wird besonders der Weingeist der zu prüfenden Flüssigkeit, die sich nun in dem oberen Raume p des Gefäßes C befindet, in Dampf verwandelt, welcher das Quecksilber aus dem Gefäße heraus in die Röhre B drückt und zwar um so höher, je mehr Weingeist vorhanden war. Die Zahlen der Scala an der Röhre geben sogleich die Menge der Alkoholtheile an, die in 100 Thln. der zu prüfenden Flüssigkeit enthalten waren und in wenig Minuten ist die Bestimmung förmlich spielend vollendet. Nur geringe Uebung ist nothwendig, um mit diesen Apparaten die verschiedenen nothwendigen Versuche vornehmen zu können.

Die Gährungsröhre.

Von den vielen praktischen Verbesserungen, welche Gall bei der Weinbereitung eingeführt hat, erwähnen wir zunächst die Gährungsröhre. Früher glaubte man, die besten Resultate zu erlangen, wenn man den Traubensaft in offenen Tonnen gähren lasse.

Gall bewies das Irrige dieser Ansicht; er zeigte, daß dann der Traubensaft zu viel Sauerstoff aus der Luft aufnehme, daß die Gährung zu weit schreite und ein Theil des gebildeten Weingeistes hierbei in Essigsäure verwandelt werde; daß außerdem viel Weingeist aus den offenen Gefäßen entweiche und daher der Wein schwächer werde. Er empfahl die Gährung in verschlossenen Fässern vor sich gehen zu lassen und in den Spund des Fasses nur eine knieförmig gebogene Röhre einzusetzen, damit das während der Gährung entweichende Kohlensäuregas einen Ausweg finde. Diese sogenannte Gährungsröhre kann von Glas, Blech oder Gutta-Percha sein, besitzt eine Weite von 3/4 Zoll und wird am besten mit ihrem äußeren Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäß eingetaucht.

Die Füllflasche.

Eine andere vorzügliche Einrichtung Gall’s, um die Fässer stets voll zu erhalten, ohne den Spund hierbei lüften und die Luft zutreten lassen zu müssen, ist die Füllflasche, welche in den Spund des Fasses gesteckt, mit Wein aufgefüllt und gut verschlossen wird. Gall hat mit Bestimmtheit nachgewiesen, daß man bei Anwendung der Füllflaschen viel weniger Wein durch Verdunstung verliert, also die Fässer weniger oft nachzufüllen hat und daß außerdem die Haltbarkeit eines Weines gesichert ist, wenn das Faß immer vollständig mit Wein angefüllt bleibt, was mit Hülfe der Füllflasche möglich ist.

Literatur.

Da wir den uns vergönnten Raum der Gartenlaube sehr überschreiten müßten, wenn wir alle Einzelnheiten der Gall’schen Weinveredlungs- und Weinbereitungslehre mittheilen wollten, so geben wir hier denjenigen, die sich näher mit diesem Gegenstande vertraut machen wollen, die denselben betreffende Literatur:

Gall, Dr. L. Praktische Anleitung, sehr gute Mittelweine selbst aus unreifen Trauben und vortrefflichen Nachwein aus den Trestern zu erzeugen, als Mittel, durch Vor- und Auslesen und Sortiren alljährlich auch werthvolle Dessertweine zu gewinnen. (Dritte umgearbeitete Auflage, Verlag von F. A. Gall in Trier.
Gall, Dr. L. in Trier. Praktische Anleitung zur Veredelung schon abgelagerter noch junger und zur Verjüngung und Verbesserung alter geringer Weine. Diese Schrift ist nur vom Verfasser selbst, gegen Erstattung von 12 Thlr., zu erlangen; doch wird sie den, der sich mit Weinbau beschäftigt, reichlich entschädigen. Uebrigens ist Herr Dr. L. Gall ein so uneigennütziger, liebenswürdiger Mann, daß jeder, der sich an denselben wendet, um sich über dessen Lehren Aufschluß zu verschaffen und Rath zu holen, ganz gewiß eine befriedigende Antwort erhält, und die ungerechten Angriffe auf die Persönlichkeit dieses Mannes werden dadurch am entschiedensten widerlegt.
Gall, Dr. L. Praktische Mittheilungen zur Förderung eines rationellen Betriebs der landwirthschaftlichen Gewerbe. Eine Zeitschrift, die zwanglos in höchstens 10 Heften à 2 bis 3 Bogen erscheint, und neben vielen andern, allgemein nützlichen Verbesserungen und Neuerungen, besonders auch die Fortschritte in der Weinbereitungskunde berücksichtigt. Die vorliegenden Hefte bringen z. B. ganz vorzügliche Arbeiten über die Bereitung der Obstweine, welche namentlich für das nördliche Deutschland, überhaupt die nördlichen Länder von unberechenbarer Wichtigkeit sind. Man muß nur berücksichtigen, daß sich aus dem Safte der Johannisbeeren, Stachelbeeren und anderer Früchte, mit Leichtigkeit und geringen Kosten Getränke darstellen lassen, die selbst der Kenner, dem Geruche und Geschmacke nach, kaum von dem Traubenweine zu unterscheiden vermag. Es wäre daher wünschenswerth, daß die allgemeine Aufmerksamkeit auf diesen Erwerbszweig eine größere würde. (Verlag von F. A. Gall in Trier.)
Gall, Dr. L. Die Füllflasche und deren Anwendung als sicherstes Mittel, durch beständiges Vollerhalten der mit Wein gefüllten Fässer, die Ausbildung der Weine zu befördern, sie vor nachtheiligen Veränderungen zu bewahren, jeden Leck augenblicklich zu erkennen, und zwei Drittheile an Füllwein zu ersparen. (Verlag von F. A. Gall in Trier.)
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_141.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)