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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Sache mittheilen. Der Brief wurde gesandt, aber die Jackson’s ließen nie etwas von dessen Inhalt hören.

Die Dame des Hauses bedauerte sehr die Flucht ihrer treuen, geschickten, dankbaren Dienerin. Mr. Jackson beschäftigte alle indische und englische Polizei, sie aufzufinden, aber vergebens. Warum sie gekommen war, meinetwegen die Cobra zu entfernen, war mir unerklärlich gewesen, da ich ihr nie sehr traulich und sie mir stets mit steiniger Kälte begegnet war. Ein Kaufmann in Agra, von dem ich reichlich kaufte und dem ich just eine hübsche Rechnung schuldig war, ergab sich als ihr Bruder. Diese Rechnung mochte mein Leben gerettet haben.

Ich malte die Jackson’s als Familiengruppe mit den lichten Mittelpunkten der Zwillingskinder. Später sah ich Silliya bei einer religiösen Festlichkeit als Bajadere in Delhi tanzen.

Den folgenden Sommer schrieb mir ein Freund in Calcutta, daß die lieblichen Zwillinge in Folge eines Cobra-Bisses im Garten des väterlichen Landhauses bei Calcutta beide gestorben seien.“




Blätter und Blüthen.


Noch etwas aus dem Storchleben. Wer schon Gelegenheit hatte, das Leben der Störche und ihre Fehden zu beobachten, der hat den Aufsatz in Nr. 24. der Gartenlaube von diesem Jahre sicherlich mit großem Interesse gelesen. Daß die Eifersucht zweier Männchen wegen eines Weibchens in manchen Fällen den Grund des Kampfes bildet, wollen wir nicht bestreiten; es mag jedoch der Wahrheit näher liegen, wenn man annimmt, daß es sich bei den meisten Fehden um die Eroberung eines von einem andern Paare bereits occupirten Wohnsitzes handelt. Richtig ist, daß die Kämpfe oft mit großer Erbitterung geführt werden und oft blutig, ja sogar für das eine oder andere dieser Geschöpfe tödlich ausfallen. Es war an einem prächtigen Frühlingsnachmittag, als Einsender dieses einmal Zeuge eines erbitterten Kampfes war. Von dem Storchenpaare, welches das auf dem Rathhause befindliche, von alten Weinrebenbüscheln gebildete Nest wenige Tage zuvor in Besitz genommen hatte, war nur das Weibchen zu Hause. Sein Klappern ließ die Rückkunft des Männchens erwarten, und bald sah man dasselbe in weiten Kreisen hoch über dem Dorfe schweben. Die Kreise immer enger ziehend, ließ sich dasselbe endlich auf dem Neste nieder und alsbald stimmte das vereinigte Paar ein heftiges Klapperduett an, indem sie fortwährend die Hälse auf den Rücken und dann wieder nach vorne bogen. Das immer heftiger werdende Klappern ließ auf die Nähe eines andern, in feindlicher Absicht kommenden Storchenpaares schließen. Bald waren auch einige Störche wahrnehmbar, welche hoch über dem Dorfe kreisten. Nachdem sie näher gekommen, konnte man deutlich zwei Pärchen erkennen. Sie ließen sich immer tiefer herab und kamen endlich so nahe, daß ihre Flügelschläge das Nest berührten. Mehrmals wollte einer der Feinde auf das Nest eindringen, allein er wurde mit gut geführten Hieben zurückgeschlagen. Nun unternahmen die Feinde einen gemeinsamen Sturm auf das Nest, indem sie das angegriffene Paar aus dem Neste zu werfen versuchten. Aber das letztere hielt der Uebermacht muthig Stand; mit gewaltigen Flügelschlägen und scharfen Schnabelhieben warfen sie die Eindringlinge immer wieder zurück. Endlich fiel einer der Feinde mit gelähmter Schwungkraft auf das Dach, und da er sich mit den Füßen nicht zu halten vermochte, kollerte er zur Erde herab, wo er von der umstehenden Jugend gefangen genommen wurde. Man hätte glauben können, der Kampf werde nun beendigt sein; da die unblessirten Feinde aber auf den benachbarten Dächern sich niederließen, so durfte man erwarten, daß sie einen neuen Angriff versuchen würden. Der gefangene Storch zeigte unter einem Flügel eine bluttriefende Wunde, die offenbar von einem Schnabelhiebe herrührte. Er ward von einigen Knaben auf den Kirchthurm gebracht und in das geöffnete Schallloch gesetzt, um ihm dadurch den Rückzug zu erleichtern.

Indessen hatten die Feinde einen neuen Sturm unternommen; der Angriff war heftiger denn zuvor, ein Menge Federn und Flaum flog in der Luft herum. Zwei der Feinde zogen sich jedoch bald wieder geschlagen und ermüdet auf das Kamin eines benachbarten Hauses zurück, der vierte aber war nicht zum Weichen zu bringen, er kämpfte mit wildem Ungestüm gegen das Paar im Neste fort. Doch gelang es dem letztern einmal, den Wüthenden vom Neste zurück und auf die Seite des Dachs zu weisen; das Männchen vom Neste verfolgte ihn und nach wenigen Augenblicken kamen beide zur Erde, mitten unter die Zuschauermenge, wo der Kampf fortgesetzt wurde. Man glaubte einen regelrechten Zweikampf zu sehen: gab sich der eine eine Blöße, indem er allzuheftig mit den Flügeln ausholte: klapps! hatte er einen Hieb unter der Schwinge. Ein unter den Zuschauern stehender Metzgerknecht machte endlich dem Kampfe ein Ende, indem er seinen Knotenstock auf den noch immer tapfern Feind niedersausen ließ, doch erst beim zweiten Schlage brach er todt zusammen, worauf sein Gegner in’s Nest zurückkehrte. Bald zogen auch die beiden Störche, welche vom Kampfe abgelassen und auf ein Nachbarhaus sich begeben hatten, ruhig von dannen. Der auf den Kirchthurm gebrachte Storch starb aber während der Nacht; man fand ihn in der Frühe todt am Fuße des Thurmes liegen und die liebe Jugend ließ es sich nicht nehmen, die beiden im Kampfe Gefallenen unter nachgeahmten Feierlichkeiten zur Erde zu bestatten. – Ein andermal fiel mir ein Zug großer Grausamkeit an einer Storchmutter auf. Das Paar war reichlich mit Kindern gesegnet; es mochten sechs oder sieben Junge im Neste sein. Als dieselben so groß geworden waren, daß sie von unten leicht gesehen werden konnten, sah ich eines Nachmittags, während das Männchen abwesend war, wie die Mutter eines der Kinder mit dem Schnabel packte und über das Nest warf und diesem alsbald ein zweites nachsandte. Sie fielen todt zur Erde nieder. Vielleicht mochte die Unmöglichkeit, sämmtliche immer größer und gefräßiger werdende Junge mit Nahrung zu versorgen, die Veranlassung zu dem gedoppelten Kindesmorde gewesen sein.

C. K.


Gastronomische Curiosität. Als ich noch Besitzer einen hüttenmännischen Fabrikgeschäfts war, hatte ich für gewisse Branchen der Fabrikation stets einige Leute aus dem thüringer Walde in meiner Arbeit. Einst betrat ich das Hüttengebäude, ohne von einem Trupp meiner in dieser Zeit unbeschäftigten Arbeiter, unter welchen sich auch die Thüringer befanden, bemerkt zu werden. Sie waren in lebhaftem, jedoch ruhigem Gespräch begriffen, was nach Art dieser Leute so laut geführt wurde, daß ich, in ziemlicher Entfernung von ihnen, jedes Wort deutlich vernehmen konnte. Der interessante Gegenstand ihrer Discussion waren die in Waldgegenden wachsenden verschiedenen Arten Pilze und die Entscheidung der wichtigen Frage: welcher von diesen der wohlschmeckendste sei. Einige Nichtthüringer rühmten vorzugsweise die Steinpilze, andere die Reißige, noch andere die Stockschwämme u. s. w. Da erhob endlich ein Thüringer seine nachdrucksvolle Stimme und sprach in dictatorischer Weise die gewichtigen Worte: „Ach sagt mir doch nichts von allen euren Pilzen! – der beste ist und bleibt doch der Fliegenpilz“, worauf sogleich alle übrigen Thüringer fast unisono replicirten: „Ja wenn Du von Fliegenpilzen reden willst, da hast Du freilich Recht, denn über diese geht keiner.“ Im ersten Augenblicke hielt ich diese Aeußerungen für Scherz und erwartete, daß derselbe belacht werden würde; allein die Thüringer blieben ernst, die Nichtthüringer schwiegen – wahrscheinlich betroffen ob dieser seltsamen Behauptungen – und man war eben im Begriff, das Gespräch nach einer kleinen Pause fortzusetzen, als ich hinzutrat und – ich gestehe, nicht ganz ohne Scham meine Unwissenheit zu verrathen – die Bemerkung fallen ließ: daß ich doch einiges Bedenken tragen würde, mich an einer Mahlzeit Fliegenpilze zu betheiligen, indem solche doch bekanntlich giftig wären; worauf die Thüringer erwiderten, daß der Fliegenpilz allerdings giftig sei, allein das Gift sei nicht im ganzen Pilze, sondern nur in den auf seiner rothen Oberfläche befindlichen Buckeln (wie sie es nannten) enthalten; würden diese nicht nur ab-, sondern der Vorsicht wegen auch zugleich etwas tiefer als die Oberfläche des Pilzes ausgeschnitten, so könne der Pilz nicht nur ohne alle Gefahr genossen werden, sondern sei zugleich der delicateste von allen. Relata refero! Daß ich von meinen Arbeitern nicht mystificirt worden bin, dafür bürgt mir die Achtung, in welcher ich bei ihnen stand, und die Unbefangenheit, mit welcher meine Bemerkung beantwortet wurde; ich bin daher völlig überzeugt, daß es mit der Sache seine vollkommene Richtigkeit hat, und überlasse es Kunstköchen und Feinschmeckern, ob sie den Versuch, dergleichen Pilze (über deren Zubereitung ich leider keine Auskunft geben kann) zuzurichten und zu genießen, wagen wollen. Vielleicht theilt einer der Leser der Gartenlaube etwas Näheres darüber mit.

R.


Werther’s Leiden, das glühend-heiße Buch, hat neuerdings eine Bestimmung erhalten, an die der Dichter, als er es schrieb, wohl schwerlich gedacht hat. Die in Leipzig erschienene und noch fort erscheinende Separatausgabe, ist nämlich in Frankreich in vielen Instituten, besonders Mädchen-Pensionaten als Schulbuch zur Erlernung der deutschen Sprache eingeführt, und wird sicher dort eifrige Leser finden.



Zur Notiz.

Mit dieser Nummer schließt das 4. Quartal und der Jahrgang 1857 und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen für das nächste Jahr schleunigst aufgeben zu wollen. Titel und Inhaltsverzeichniß zum Jahrgang 1857 sind dieser Nummer beigegeben.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_724.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)