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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Hermann Knaur.

Die Statuette Gellert’s, von der wir unsern Lesern eine Abbildung vorlegen und auf die wir weiterhin zurückkommen werden, gehört zu den verhältnißmäßig bekanntesten Werken eines gar wackern Meisters, der im Uebrigen die ihm gebührende öffentliche Anerkennung bisher noch nicht gefunden hat, und der auch in seiner Vaterstadt Leipzig, obgleich diese Ursach hätte, sich ihres Sohnes zu freuen, nicht so bekannt ist, wie er es wohl verdient, was übrigens aus mehren Gründen unschwer zu erklären ist. Zunächst nämlich ist Hermann Knaur eine der schlichtesten und anspruchslosesten Persönlichkeiten, denen ich in Künstlerkreisen begegnet zu sein mich erinnere, ein Mann, der, so oft ich ihn in seiner bescheidenen Werkstatt aufgesucht habe, mir immer wieder den Eindruck eines jener tüchtigen und einfachen Meister unseres deutschen Mittelalters, eines Adam Kraft oder Peter Vischer gemacht hat, jener alten Meister, welche, aus den Kreisen des zünftigen Handwerks hervorgegangen und sich des unlöslichen Zusammenhanges ihrer Kunst mit dem Handwerk vollkommen bewußt, im Leben nur als schlichte Werkleute auftraten und nur als solche gelten wollten, ohne daß deswegen der göttliche Funke der höheren künstlerischen Schöpferkraft minder klar und rein in ihrem Gemüthe geleuchtet hätte, und ohne daß ihren Werken die Bedeutung geistig tiefer Erfindungen abgegangen wäre, weil sie ihre Arbeiten, in was immer für Stoffen es sein mochte, auch technisch materiell im Schweiße ihres Angesichts mit eigener Hand zu vollenden hatten.

Nun ist freilich die Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit für Jedermann eine gar schöne Tugend, und sie macht den Künstler doppelt liebenswürdig, wie sie und eine mit kräftiger Männlichkeit sehr wohl verträgliche kindliche Naivetät, die wir Anderen uns schwer zu bewahren vermögen, denn auch des echten Künstlergemüths beneidenswerthes Erbtheil und sicherstes Kennzeichen ist, deswegen, weil der echte Künstler es bei seinem Schaffen wieder und immer wieder unmittelbar empfindet, daß ihm die besten Gedanken und die schönsten Ideen durch die Eingebung des Genius zu Theil werden, des Genius, der, um mit Platen zu reden, als göttlicher Gast in seinem Gemüthe wohnt, – es ist, sage ich, die Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit eine schöne und eine echte Künstlertugend, aber der Welt gegenüber, wie diese nun einmal ist, hat sie auch ihr Bedenkliches, Denn unsere rasch und geräuschvoll lebende und wenig innige Gesellschaft ist eben nicht dazu angethan, das stille Verdienst aufzusuchen, zu würdigen und an’s Licht zu ziehen, sie sucht höhere künstlerische Fähigkeit weit eher in einer für genial geltenden Arroganz und Zerfahrenheit oder Nonchalance, als in der stillen und ernsten Kraft, welche schon die Persönlichkeit unseres Knaur charakterisirt, und sie erwartet vor allen Dingen, daß, wer Tüchtiges zu leisten vermag, es auch verstehe, dies in tönenden Reclamen der Welt zu verkündigen. Und das hat freilich unser Meister nicht verstanden. Ferner, und das hängt mit dem eben Gesagten wenigstens zum Theil zusammen, ist ihm bisher nicht das Glück einer jener großen monumentalen Aufgaben geworden, die einerseits die materiellen Mittel gewähren, welche den Künstler in den Stand setzen, unbedroht von irdischen Sorgen und unbeengt von äußerlichen Rücksichten seine Kräfte auf ein Werk zu concentriren, einen Plan zu voller Reife auszutragen, und bei seinem Schaffen nur den Eingebungen seines Genius zu lauschen, während ihre glückliche Lösung andererseits den Meister mit einem Schlage auf die Höhe nationalen Ruhmes zu erheben vermag. Im Gegentheil hat unser Knaur nur zu lange und nur zu viel mit den Schwierigkeiten der materiellen Existenz zu ringen gehabt, hat nur zu oft seine Kräfte an Aufgaben verschwenden müssen, die dürftig honorirt, meistens geringfügigen Gegenstandes, zu allerlei decorativen Zwecken bestimmt, mit allerlei, zum Theil recht unkünstlerischen Bedingungen der Auftraggeber verclausulirt, um des täglichen Brodes willen übernommen und thunlichst rasch von der Hand gearbeitet werden mußten, wenn der Künstler ihnen gegenüber nicht sein bürgerliches Dasein in die Schanze schlagen wollte, Aufgaben, die in den wenigsten Fällen geeignet oder im Stande waren, künstlerische Begeisterung zu wecken, Aufgaben, deren Lösung wesentlich nicht mehr als technische Routine erforderte, und die nach dem Allen begreiflicher Weise nicht im Stande waren, des Künstlers Ruhm in weiten Kreisen zu verbreiten, und seine Würdigkeit und Fähigkeit zu höheren Leistungen zu erweisen.

So vielfach aber unser Knaur sich auch mit solchen Arbeiten hat befassen, so oft er seinen Pegasus hat in’s Joch spannen müssen, dennoch sind seine Hervorbringungen nicht auf den bezeichneten Kreis beschränkt geblieben, immerhin ist ihm mehr als einmal die Gelegenheit geworden, Aufgaben zu bearbeiten, die, wenngleich ihrer kaum eine auf der Höhe dessen steht, was unsere Zeit dem Bildner als Gegenstand zu bieten vermag, dennoch weit über das erhaben waren, was auch der gediegenste Routinist zu leisten vermag, Aufgaben wirklich künstlerischen Gehalts und nur mit wirklicher Künstlerkraft zu bewältigen. An diese Arbeiten und nur an sie haben wir uns zu halten, wenn wir über den Mann und seine Fähigkeiten ein Urtheil gewinnen wollen, und eben diese Arbeiten oder von ihnen eine Auswahl derjenigen, die nach meiner Einsicht unsers Künstlers Wissen und Können am sichersten darthun, wollen Wir in den folgenden Zeilen etwas näher betrachten, indem wir uns zugleich über die äußeren Lebensumstände desselben eine Uebersicht verschaffen, zu der wir die Daten dem bei N. Weigel in Leipzig 1858 erschienen „Leipziger Künstleralbum“ (erstes Heft, S. 16 f.) entnehmen.

Immanuel August Hermann Knaur ist 1811 zu Leipzig geboren, der Sohn eines 1820 als Oberlehrer nach Grimma versetzten und in eben diesem Jahre verstorbenen, bis dahin in Leipzig lebenden Gymnasiallehrers. Nach dem Tode seines Vaters fand Knaur in einer Leipziger Familie Aufnahme und in der Rathsfreischule Unterricht, während er von seinem 12. Jahre an auch die Leipziger Kunstakademie besuchte. Schon in dem Knaben erwachte, namentlich durch den Anblick des Apollo von Belvedere angeregt, die Neigung zu bildnerischer Thätigkeit, welcher derselbe jedoch so wenig nachzugeben Gelegenheit fand, daß er vielmehr nach erfolgter Confirmation zu einem Leipziger Töpfermeister in die Lehre kam, bei dem er nach vierjähriger Lehrzeit noch bis 1831 als Geselle arbeitete. In diesem Jahre wurde er zum Militair ausgehoben und hantierte demnach einstweilen als wohlbestallter Schütze mit der Kugelbüchse. Soweit er aber hierdurch auch seinem Beruf entfremdet scheinen mochte, wurde er demselben unerwartet dadurch näher geführt, daß er die viele freie Zeit, welche das Soldatenleben im Frieden gewährt, dazu benutzen konnte, seinen Neigungen zu folgen. So begann er denn damit, seine Cameraden, wenn auch nur zeichnend, zu portraitiren, bald aber wurde ihm die Gelegenheit, auch seine Uebungen in der plastischen Kunst zu erneuern, indem er während eines Urlaubs einige angesehene Personen Leipzigs als Büsten nach dem Leben modellirte und auf diese Art für Gönner und Wohlwollende wenigstens die Art seines innerlichen Berufs, seine Bestimmung für die Kunst erwies. Dieser sollte Knaur in nachhaltiger Weise nahe treten, als seine sechsjährige Dienstzeit zur Hälfte abgelaufen war. Damals, 1834, kam Prof. Rietschel von Dresden nach Leipzig, um an Ort und Stelle die letzte Hand an das von ihm verfertigte Relief im Giebel des Universitätsgebäudes zu legen. Von Knaur’s künstlerischem Streben unterrichtet, erbot sich Rietschel, denselben in sein Atelier aufzunehmen, angesehene Leipziger Familien verschafften dem angehenden Kunstjünger die nöthigen, sehr bescheidenen Geldmittel, die militairischen Oberen gewährten in liberalster Weise den nöthigen Urlaub, und Knaur wurde Rietschel’s Schüler.

Schon nach zwei Jahren konnte er seinem Meister als Gehülfe zur Seite treten, und im dritten seiner Lehrzeit modellirte er in Rietschel’s Auftrage selbstständig drei der zwölf Reliefs, welche als ein auf die Hauptmomente der Culturgeschichte bezüglicher Cyklus die Universitätsaula schmücken: das römische Reich – Ritterthum und Minnesang – und Welthandel. Es folgte dann eine nach eigener Idee unternommene Statue, vom Künstler „der Wanderer mit dem Hunde“ genannt, welche, an den Dresdner Kunstverein verkauft, in vielen Abgüssen, namentlich im Auslande verbreitet wurde.

Nach Vollendung dieser Arbeiten trat Knaur in Verbindung mit dem Prof. Hänel, welcher damals mit der Ausführung eines Bacchusfrieses für das Dresdner Theater beauftragt war, und zwar verfertigte Knaur, mit Ausnahme der mittleren Gruppe, das ganze Modell, wozu er zwei Jahre gebrauchte. Dem nun in dem Künstler immer lebhafter werdenden Wunsche nach der Ausführung durchaus selbstständiger Arbeiten entsprach nach seiner Rückkehr nach Leipzig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_496.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2023)