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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

und nach außen zu lenken, so daß die auf der Erde liegenden Holztheile zuletzt in Gluth kommen.

Ist das Feuer am Quandel empor bis zur Haube gedrungen, und dabei der Gipfel des Meilers zu einem Krater eingesunken, so besteigt der Köhler auf einer eigenthümlichen, aus einem Baumstamme gehauenen Treppe seinen Vulcan, füllt dessen leeren Schlund mit Holzstücken und belegt ihn dicht mit Decke.

Bei dem „Auswärmen“ (Abdampfen) des Meilers, wobei er gelbgrauen, wasserdampfreichen Rauch entwickelt und außen feucht wird („schwitzt“), tritt zuweilen ein Umstand ein, der den schwarzen, qualmenden Kegel einem Vulcane noch ähnlicher macht. Wenn nämlich der Wasserdampf nicht gehörig entweichen kann, so sprengt er die Decke und die Schichten des Holzes („er wirft“). Immer sinkt der thätige Meiler, weil das Holz durch Erhitzung schwindet, oben ein, und es muß deshalb von oben nachgefüllt werden.

Ist der Meiler glücklich „abgekühlt“, so beginnt das „Treiben“, bei welchem das Holz bei möglichster Beschränkung des Luftzutrittes unter der festgestampften Erddecke verglimmt. Hier gilt es nun, des Feuers furchtbare Macht, die von Natur immer zur Höhe strebt, niederwärts zu lenken. Dies geschieht durch Einstoßung von Luftlöchern („Räumern“), die man in gürtelförmigen Reihen anbringt. Dabei ist stete Aufsicht und Abwartung unumgänglich. Rauchen die Räumer schwarz, so brennt das Feuer zu matt und muß mehr Luft bekommen; rauchen sie hellgrau, dann erfolgt die Verbrennung zu rasch, und man muß die Decke verdichten oder einige Räumer schließen; sinkt der Meiler ungleichmäßig zusammen, so muß auf der höheren Seite mehr Zug gegeben werden. Beim Kohlen gilt als Hauptregel: was lange währt, wird gut. Steigt aus den Räumern blauer Rauch und erzeugt das Aufschlagen mit dem „Wahrhammer“ (einem langgestielten hölzernen Schlägel) auf den über den Räumern liegenden Theil des Meilers einen hellen, knackenden Schall, so werden diese Zuglöcher verstopft und unterhalb derselben ein Kreis neuer gestochen. Ist der ganze Meiler in Gluth („gar“) so bricht das Feuer an einzelnen Stellen seines Fußes durch.

Dann läßt man ihn, von der Luft abgesperrt, verkühlen und löscht ihn etwa nach vierundzwanzig Stunden. Die Gluth würde zwar allmählich von selbst ausgehn, aber dann würde das „Ausbringen“ (der Ertrag) weniger gut sein. Man entblößt den Meiler von seinem Rauhdache, dessen Zwischenräume der Luft immer einigen Zutritt gewähren, und bedeckt ihn blos mit Erde und Gestübe, welche alle Klüfte und Ritzen luftdicht verstopfen. Nach einiger Zeit holt der Köhler mit Hülfe einer eisernen Spitzhaue (dem „Ziehhaken“) eine Partie Kohlen nach der andern hervor und löscht sie durch Besprengung mit Wasser, wobei er natürlich nicht versäumen darf, die dadurch entstandene Pforte des Meilers wieder zu schließen. Die Zeit, die ein Meiler zur Gare erfordert, hängt von seiner Größe ab; sehr bedeutende Meiler erfordern drei Wochen, die kleinen, in Thüringen erbauten nur drei bis sechs Tage. Eine Köhlerei hat stets zwei bis drei Meiler im Gange, welche alle Stadien des Verkohlungs-Vorganges zeigen.

Das Einreißen eines gelungenen Meilers läßt auch die mürrischen schwarzen Gesichter heiterer erscheinen. Nach dem Ausbringen richtet sich ja der Verdienst. Wenn der Köhler aus vier Klaftern Holz eine Fuhre Kohlen herstellt, bekommt er 1 fl. 36 kr.; gelingt es ihm aber, aus 33/4 oder 31/2 Klaftern eine Fuhre Kohlen zu gewinnen, so erhält er 1 fl. 48 kr. oder gar 2 Gulden Lohn. Das Ausbringen hängt nur leider nicht allein vom Geschick und von der Sorgsamkeit ab, denn bei ungünstiger Witterung kann auch der beste Meister nicht die erwartete Kohlenmasse liefern. Die Herstellung einer guten Kohle ist aber nicht blos Geld-, sondern auch Ehrenpunkt. Der glückliche Meister hängt in seiner Hütte möglichst große Stücke fester, hellklingender Kohle mit demselben Ehrgefühl auf, mit dem der Besitzer einer chemischen Fabrik große Blutlaugensalz-Krystalle in einem Glaspalaste zur Schau stellt.

Die Kohlen werden in „Kohlenfäden“, großen zweispännigen Wagen, deren Breterkasten 24 Tonnen zu 20 Cubikfuß fassen, abgeholt und bei der Eisenhütte vom „Kohlenmesser“ in Empfang genommen. Dieser Beamte führt auch die Aufsicht über die Kohlenstätten und verhängt für die von ihm bemerkten Versehen die im Dienstbuche vorgeschriebenen Strafen. Ein Köhler z. B., bei dem er „blaugehende Räumer“ findet, muß vier Kreuzer büßen. Die beste Aufsicht über die Meiler übt natürlich der Meister, dessen Lohn von deren Gelingen abhängt.

Die Köhler des Thüringer Waldes, die ihr Gewerbe nach urväterlicher Weise betreiben, werden in ihrem Geschicke mehr von der Alles umgestaltenden Zeit berührt, als die meisten übrigen Waldarbeiter. Die Zahl der Holzhauer hat sich, weil man alle Erträge der Forsten besser ausnutzt, in neuerer Zeit vermehrt, und ihr Lohn hat sich mit dem Steigen der Holzpreise etwas erhöht; die Zahl der Köhler dagegen vermindert sich jährlich, und ihr Lohn ist nicht gestiegen.

Manche Köhler sind dem Forst untreu geworden und in den Dienst der Fabriken getreten, wo sie Holz spalten oder Porcellan „quetschen“ (d. h. Porcellanteig in Gypsformen zu Nippfiguren pressen). Gar manches zierliche Figürchen, das auf dem Spiegeltische eines Putzzimmers stolzirt, verdankt der rauhen Hand eines Köhlers sein Dasein, denn auch diejenigen Schwarzen, die ihrem Dienste treu bleiben, „quetschen“, wenn sie nicht Schachteln oder Schindeln machen, im Winter Porcellan.

Aber diese Ausreißer sind nicht die Hauptursache der Verminderung des Köhlergewerbes. Die nächste Veranlassung liegt darin, daß die Forsten nicht mehr ausreichen, um alle hungrigen Oefen zu befriedigen. Manche Reviere, die sonst viel Kohlen brennen ließen, können, weil der Bedarf für Heizung der Zimmer kaum zu befriedigen ist, gar kein „Kohlholz“ mehr ablassen; die holzreichsten Forsten sogar können nur die „Stocke“ (die Wurzelhölzer), die wegen schwieriger Abfuhr keine andern Abnehmer finden, an die Köhler abgeben. Darum sind die Hochöfen und Hammerwerke des Thüringer Waldes, die weit lieber mit den ein besseres Stabeisen liefernden Holzkohlen feuern würden, genöthigt, zu den Steinkohlen zu greifen, und mancher Ofen, der durch seinen Funkenregen sonst ein Waldthal mit fliegenden Sternen überstreute, ist zum Stillstand gekommen, weil er die Mitwerbung der Coksöfen nicht aushalten konnte. Zum Glück kommen die Zwickauer Kohlen trotz des Frachtaufschlages nicht beträchtlich höher, als eine an Heizkraft gleichwertige Masse Holzkohlen, und hoffentlich beseitigen neue Bahnen oder in der Nachbarschaft aufgethane Steinkohlengruben auch diesen Mißtand, denn sonst wäre es um manches noch bestehende Eisenwerk gethan.

Aber die Waldköhlerei geht bergabwärts, unaufhaltsam bergab. Die Porcellanöfen werden mehr und mehr „die Stocke“ ankaufen und dafür Preise zahlen, welche die Eisenwerke nicht geben können, und die Köhler werden immer weniger Holz zur Verarbeitung erhalten. Man kann die Köhler damit trösten wollen, daß neuerdings weit mehr Menschen beim Coksbrennen lohnendere Arbeit finden und daß auch sie bei anderen Geschäften wohl eine wenigstens ebenso gute Stellung finden werden; man mag ihnen erzählen, daß sich aus der rohen Waldköhlerei eine Kunstköhlerei entwickeln wird, welche auch die bisher nutzlos in die Luft gehenden Nebenerzeugnisse des Theers und Holzessigs verwerthet – immer werden sie ungläubig und mürrisch drein blicken und auf ihren Mienen den Gedanken abspiegeln: „Ach, wir letzten Mohikaner! So wenig lohnend, so beschwerlich und unsauber die Arbeit war, wie schön lebt es sich doch im Walde, in unserer traulichen Hütte! Alles, alles geht dahin; wie schade, wie jammerschade!“




Die Huberbäuerin.
Von H. Schmidt.
(Fortsetzung.)
3.

Inzwischen war die schöne Bäuerin in der sogenannten „guten Stube“ im ersten Stockwerk in unverkennbarer Aufregung eingetreten. Sie warf keinen Blick auf die für ein Bauernhaus ungewöhnlich feine und zierliche Einrichtung, an der sie sonst wohl ihre Freude hatte; vergeblich lockte aus den halbgeöffneten Kästen und Schränken die Fülle der schönsten Leinwand, zierlich in Stücken zusammengestellt – nachdem sie hastig die Thüre ins Schloß geworfen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_030.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2017)