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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Bilder aus dem Leben deutscher Dichter.
Nr. 2.

Mendelssohn,   Lessing   und   Lavater
über Religion disputirend.
Nach dem Originalgemälde des Professor Oppenheim.

Es war im Jahre 1763, kurz nach Beendigung des siebenjährigen Krieges, als ein junger Theolog aus Zürich nach Berlin reiste, um die dortige gelehrte Welt kennen zu lernen. Er selbst war eine hochbegabte Natur voll Poesie, aber auch voll Schwärmerei und Ueberschwänglichkeit, die ihn bei seinem Hange zum Mysticismus und allem Wunderbaren früher oder später auf gefährliche Abwege führen mußte. Schon damals genügte ihm nicht das vorhandene Christenthum, er sehnte sich nach einem unmittelbaren Verkehr mit der überirdischen Welt und schrieb seinem Gebete die Kraft zu, Wunder zu thun. Er war von einem gewissen geistlichen Hochmuth nicht frei zu sprechen, den er freilich unter sanften Formen und einer liebenswürdigen Persönlichkeit geschickt verbarg, In den Nebenstunden beschäftigte er sich mit physiognomischen Studien, denen er eine große Wichtigkeit beilegte. Zu diesem Zwecke verfehlte er selten, die berühmten Männer seiner Zeit in Gesellschaft eines Freundes, des Malers Füßli, aufzusuchen, um ihre Silhouetten aufzunehmen und ihre Züge in oft mehr poetischen, als wahren Ausdrücken zu schildern. Oft verführte ihn dabei seine Freundschaft oder die Vorliebe für sein System, dem gesunden Menschenverstande zu widersprechen. Trotz dieser Schwächen war er aber eine der hervorragendsten Erscheinungen des achtzehnten Jahrhunderts, mit dem er die Liebe zur Menschheit, den Drang nach Freiheit, aber auch die Sucht nach dem Wunderbaren und Abenteuerlichen theilte. Dieser Mann hieß Johann Kaspar Lavater.

In Berlin machte der christliche Theolog die Bekanntschaft des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, er besuchte ihn

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_389.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2021)