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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

schreiben natürlich dem eigenthümlichen erwärmten Stoffe und nicht der Wärme die heilsame Wirkung warmer Ueberschläge zu; bei ihnen wirkt das Fell einer schwarzen oder wilden Katze anders als das einer grauen und zahmen, und eine rothe Bauchbinde thut bessere Dienste als eine weiße etc.

Die Prießnitz'schen kalten Einwickelungen, auf welche viele Aerzte und Laien ganz versessen sind, können unsere Wärme, wie schon gesagt wurde, durchaus nicht ersetzen, da sie immer nur einen solchen Wärmegrad zu entwickeln im Stande sind, welcher dem unserer Körperwärme gleich ist, abgesehen noch davon, daß sie durch ihre Kälte recht leicht auch schaden können. Man stellt dieselben nämlich so an, daß ein in kaltes Wasser ge­tauchtes, wenig ausgerungenes Tuch um den leidenden Theil ge­schlungen und dann mit einem luft- und wasserdichten Zeuche (Wachstuch) umwickelt wird. Das kalte, nasse, die Haut berührende Tuch nimmt bald die Temperatur der Haut an, allein die dabei gebildeten Wasserdämpfe können weder entweichen, noch sich abküh­len, und es bleibt daher der kranke Theil so lange dem Einflusse der feuchten Wärme ausgesetzt, bis wegen des unvollkommenen Abschlusses der Dämpfe die Tücher allmählich zu trocknen beginnen.

Gehen wir nun auf die einzelnen Krankheitszustände über, bei denen die Wärme ein vortreffliches Heil- oder doch Linderungsmittel ist, so sind zuerst diejenigen Leiden zu erwähnen, welche durch heftige Schmerzen beschwerlich fallen, jedoch mit Ausnahme aller frischen Verletzungen, bei denen gerade die Kälte (kaltes Wasser, Schnee, Eis), auch ohne die nichtsnutzige Arnica (s. Gartenl. 1856; Nr. 51), den besten Nutzen schafft. Sodann wirkt hohe Wärme da sehr vortheilhaft, wo aus dem Blute an unrechten Stellen ausgetretene, feste oder flüssige Stoffe weggeschafft werden sollen. Auch gegen lähmungsartige Schwäche thut diese Wärme in vielen Fällen recht gute Dienste, doch darf man hierbei nicht zu viel Vertrauen auf ihre Heilkraft setzen. Weit wirksamer ist sie bei Krampfzuständen, zumal wenn diese nur einzelne Muskeln oder Muskelgruppen befallen haben, und überhaupt da, wo gegen Hartes, Starres, Sprödes, Gespanntes verfahren werden muß (bei Verengungen, Einklemmungen, Auftreibungen).

Als beruhigendes, schmerzstillendes Mittel kann zu örtlichem Gebrauche die hohe Wärme (in trockner und feuchter Form) ebensowohl bei sogenannten rheumatischen, wie auch bei ent­zündlichen und sogenannten nervösen Schmerzen empfohlen werden. - Am Kopfe werden z. B. sogenannte nervöse, in den äußern Theilen sitzende, oft halbseitige oder nur auf kleinere Stellen be­schränkte Kopfschmerzen durch große Wärme merklich gelindert oder ganz vertrieben. - Der oft bis zum Verzweifeln heftige Gesichtsschmerz weicht in sehr vielen Fällen der energischen Anwendung hoher Wärmegrade. - Zahnschmerzen schwinden in der Regel durch heißes Wasser, was im Munde einige Zeit lang den kranken Zahn umspült und natürlich dann, wenn es nicht mehr heiß gefühlt wird, erneuert werden muß. - Bruststechen läßt sich durch warme Ueberschläge fast stets lindern, selbst dann wenn dasselbe nicht blos rheumatischer Natur ist und seinen Sitz in den äußern Brusttheilen hat, sondern im Innern der Brust und durch Brustfell- oder Herzbeutelentzündung entsteht. - Bei Leibschmerzen der allerverschiedensten Art, wie bei Koliken, Magen- und Blasenkrampf, Bauchfellentzündung, Ruhr, Steinbeschwerden, sogenannten Blutkrämpfen des Weibes etc., giebt es gar kein besseres Linderungsmittel als große Wärme. - Kreuz- und Hüftschmerzen (Hexenschüsse, Lenden- und Hüftweh) sind am schnellsten durch die Wärme zu verjagen, nur muß sie an­haltend und so hoch als möglich angewendet werden. - Gelenkschmerzen, wenn sie nur nicht eben erst durch eine Verstauchung oder Verrenkung, durch Quetschung oder Stoß erzeugt wurden, be­dürfen durchaus der Wärme zu ihrer Linderung. - Ob nun bei den genannten Schmerzübeln die Wärme besser als feuchter (breiiger) Umschlag oder in trocknet Gestalt anzuwenden ist, das muß der Patient selbst durch Probiren zu ergründen suchen, da dem Einen die trockene, dem Andern die feuchte Wärme besser thut, was der Arzt im Voraus nicht wissen kann.

Gegen Geschwollenes, wenn es nicht erst seit Kurzem durch Blutaustritt bei Verletzungen entstanden ist, wirkt die Wärme insofern heilsam, als sie Festes zur Schmelzung bringt und das dadurch entstandene oder auch von Haus aus Flüssige (Eiter) durch Entleerung nach außen und durch Wegsaugung mittels Bethätigung der Saugadernthätigkeit entfernt. Deshalb ist diese Wärme von vorzüglichem Nutzen bei Drüsengeschwülsten, die dadurch entweder zum Eitern und Aufgehen oder zum allmählichen Schwinden in Folge von gesteiger­ter Aufsaugung gebracht werden. - Alle Gelenkanschwellungen, mit Ausnahme derjenigen durch frische Verletzungen, können durch Nichts so gut gehoben werden, als durch große Wärme. - Blutschwäre, sowie böse Finger und Zehen (der Finger­wurm) brauchen zu ihrer Heilung (durch Eiterung und Aufgehen) lange Zeit, wenn sie nicht mit warmen Umschlägen behandelt wer­den. - Ein in Folge eines Zahn- oder Zahnfleischleidens ge­schwollenes Gesicht, wird durch Warmes innerhalb und außer­halb des Mundes am schnellsten wieder in seine Facon gebracht. - Frostballen und entzündeten Hühneraugen sagen warme Ueberschläge am meisten zu.

Krampfstillend wirkt große Wärme besonders dann, wenn die Krämpfe schmerzhaft und andauernd (sogenannte Starrkrämpfe, Klamm), nicht Zuckungen sind und einzelne Muskeln oder kleinere Muskelgruppen und zwar in dem Muskelsysteme, welches unserem Willen entzogen ist, befallen haben. Deshalb sind vorzugsweise Krampfzustände im Verdauungs-, Harn- und Genitalapparate durch Wärme zu heben.

Bei Lähmungen und lähmungsartiger Schwäche beweglicher Theile, besonders der Beine, sowie bei Empfindungs­losigkeit dieser oder jener Hautstelle thut große Wärme manch­mal, freilich nicht immer, recht gute Dienste, nur muß sie hier ebenfalls mit gehöriger Ausdauer angewendet werden. Gegen Rückenmarksschwäche (die sich nicht im Rücken, sondern gleichzeitig in den Beinen, im Harn-, Darm- und Genitalapparate zu erken­nen giebt) wirkt diese Wärme, wenn sie anhaltend auf die untere Hälfte des Rückens applicirt wird, in der Regel weit besser, als das berühmte Bad von Gastein.

Aus dieser kurzen Uebersicht der Leiden, bei denen, wie die Erfahrung lehrt, große Wärme als ein ganz vortreffliches Heil­- oder Linderungsmittel wirkt, läßt sich ersehen, wie hoch die­selbe zu halten ist. Doch muß sie, wie schon gesagt wurde, nicht blos auf den Husch applicirt werden und übrigens stets auch in einem solchen Grade, daß großes Hitzegefühl (nicht Verbrennung) dadurch veranlaßt wird. - Und nun, Leser, bitte ich Dich, bringe meine lieben Hausmittel nicht durch falschen Gebrauch, d. h. durch Anwendung derselben bei solchen Uebeln, bei denen sie nicht passen, in Verruf; trinke nicht gegen alle nur möglichen innern Beschwer­den heißes Wasser, bestreiche nicht alle äußern Leiden mit Rinds­talg und lege nicht überall Wärme auf. Wolle doch meine Auf­sätze über diese Hausheilmittel mit etwas mehr Aufmerksamkeit als die Novellen lesen, zumal wenn darnach curirt werden soll. Und mache ferner auch nicht, wie dies so oft geschieht, kindische Ansprüche an diese Hausheilmittel, und verlange nicht bei jahrelangen, ver­wahrlosten oder verquacksalberten Leiden durch dieselben Heilung über Nacht.

Bock.




Deutsche Bilder.

Nr. 8. Der Salzburger Jammer.
(Schluß.)

Der elende Zustand der ersten Züge der evangelischen Salzburger, die ja fast nur aus Unbemittelten bestanden, wird durch gleichzeitige Berichte aus Weilheim und Ulm, wohin sie sich wandten, in das klarste Licht gestellt. Von Weilheim schrieb man unter'm 26. December: „Gestern ist unser Landrichter nebst noch einigen andern hierzu Verordneten den emigrirenden Salzburgern auf hohe Verordnung entgegengeritten, um selbige weiter zu convoyiren. Es bestehen diese Leute aus 800 Personen, so aber in einem erbarmungs­würdigen Zustand, indem solche bei dieser miserablen Winterszeit vieles Ungemach, bald von Frost, bald von Regen und Schnee aus­zustehen haben. Ueber das alles so druckt selbige die Armuth so hart, daß, da sie in ihrem vorgestrigen Nachtquartier gelegen, deren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_440.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2023)