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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Abendbrode hatte die gesammte Bevölkerung, vom Tagewerk ermüdet, sich zur Ruhe niedergelegt, und Alles war bald in tiefen Schlummer versunken.

Mitten in der Nacht weckte mich ein ungewöhnliches Geräusch; kaum war ich zur Besinnung gelangt und hatte mich vorn Lager erhoben, als ich schnell hinter einander mehrere Flintenschüsse hörte, die in meiner nächsten Nähe abgefeuert wurden. Im Nu waren meine Diener und mein ältester Sohn ebenfalls auf den Beinen und hatten die stets scharf geladenen und zur Hand befindlichen Doppelbüchsen ergriffen. Als ich die Thür öffnete, sah ich bereits die Soldaten, welche in der Mitte des Hofraums unter zwei großen Zelten campirten, halb angekleidet, die Gewehre in der Hand, theils aus denselben herausstürzend, theils schon im Kampfe mit dem Feinde, denn dieser hatte die Zugbrücke überschritten, das Einfahrtsthor überstiegen und wahrscheinlich gehofft, uns Alle im Schlaf zu überraschen. Etwa zehn Kabylen hatten schon im Innern festen Fuß gefaßt, und waren im wildesten Handgemenge mit den glücklicherweise noch zur rechten Zeit durch das Gebell unserer wachsamen Hunde ermunterten Soldaten. Vielleicht eine gleiche Anzahl sah ich theils auf dem Rücken der Mauer zunächst dem Thore, theils auf diesem selbst, von wo aus sie sich bemühten, uns mit ihren langen Flinten so viel als möglich zu schaden. Der Corporal, welcher die Soldaten commandirte, rief mir zu, ihm nicht zu Hülfe zu kommen, sondern mich nur gegen die Kabylen zu wenden, welche noch nicht bis in den Hofraum gedrungen waren. Ehe er noch seinen Zuruf zu Ende gebracht, lagen bereits zwei Eindringlinge, von den zwei Kugeln meiner Doppelbüchse erreicht, am Boden. Ebenso glücklich hatten meine drei Diener gezielt.“

(Schluß folgt.)



Das Renchthal und die Klosterruine Allerheiligen im Schwarzwald.


Die Ruinen der Abtei Allerheiligen.
Nach der Natur aufgenommen von C. G. Winckler.

Wenn die feuchten Herbstnebel sich breit und träge hinlagern über die gelbrothen Rebgelände der Vorhügel des Schwarzwaldes, über die kahlen Stoppelfelder und bereiften Matten des Flachlandes, wogt droben über die wolkenlosen Kuppen der Berge, über dunkle Forst- und frischgrüne Bergmatten hin ein Meer wonnig warmen Sonnenscheins, einzelne Käfer und Schmetterlinge freuen sich der letzten Sommertage, Heerden von Rindern und Ziegen grasen an den würzigen Sommerhalden, und die Bewohner einsamer Höfe und weitumher zerstreuter Weiler sammeln ringsum den letzten Segen ihrer mühsam gepflegten Ernte.

Also fort auf den Fittigen des Dampfes, an den langgestreckten, bunten Vorhügeln und Vorbergen, an den freundlichen Städtchen und Dörfern zu ihren Füßen, an der nahen, im heimeligen Thale verborgenen Bäderstadt an der Oos, der römischen Civitas aquensis Aurelia vorüber! Kaum gedenken wir flüchtig dahineilend der Zeiten, wo Hadrian und der fromme Antonin hier neben den trotzenden Castellen ihrer Zwingherrschaft die Heimstätte römischer Gesittung und südländischen Lebensgenusses gründeten, wo Trajan und Caracalla in ländlicher Zurückgezogenheit lebten, wo der Bewohner stolz des römischen Bürgerrechtes sich rühmte, bis der Sturm germanischer Stämme all die Römerherrlichkeiten zerstörte, und über den Trümmern das fränkische Banner, abermals fremder Herrschaft Zeichen, von den Mauern des königlichen Meierhofes flatterte. Jetzt ziehen die letzten Sommergäste, Einer nach dem Andern, von den heilbringenden Quellen und von den grünen Tischen des Herrn Benazet der fernen oder nahen Heimath zu.

Wir aber eilen weiter. Das Denkmal Erwin’s von Steinbach, des deutschen Meisters, der Straßburgs Riesenbau zu den Wolken thürmte, grüßt uns von der Spitze des trauten Rebhügels, die stolze Iburg schaut von ihrer schwindelnden Höhe auf uns nieder, die sonnigen Thäler, an deren Wänden der edle Mauerwein, der Steinwein, der Affenthaler reift, fliegen an uns vorbei, Alt- und Neuwindeck überragen die Thürme von Bühl und Achern, hinter welchem die Pfleganstalt für geistig Kranke, Illenau, in paradiesisch schöner Umgebung hervorblickt. Dort oben schimmert hoch am Berge das weithinschauende Brigittenschloß, und in himmelanstrebender Ferne strecken die Hornisgründe, die mächtige Grenzmauer des Badener und Württemberger Landes, ihren kahlen, waldumkränzten Rücken weithin über die niedrigere Bergwelt zu ihren Füßen.

Noch eine kurze Fahrt, und die Locomotive läßt abermals ihren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_605.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)