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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

dort im Juli 1861. Der Ruf, der dem streitbaren Manne nach Bonn vorausgegangen war, lenkte, als die Wahlen zum Landtage von 1862 begannen, die Blicke der Crefelder auf ihn. Unwohlsein verhinderte ihn jedoch, diesmal dem Rufe der Wähler zu folgen, und so hatte er den 11. März dieses Jahres nicht mit zu erfahren. Der abermaligen Wahl, am 6. Mai, entzog er sich nicht, und somit werden wir ihn unseren Lesern in seiner Eigenschaft als Abgeordneter bei einem Besuch des Landtags selbst vorstellen.





Blätter aus einem diätetischen Recept-Taschenbuche.
IV. Diätetisches Recept für Kraftlose, Blutarme und Nervenschwache.

Stärkende Arzneien giebt es nicht; Eisen, China, Wein, Mineral- und Seebäder u. s. f. sind durchaus keine Stärkungsmittel, ja die meisten dieser Mittel, besonders die stark erregenden, wie Spirituosa und Kälte (in Gestalt von kalten Bädern, kalten Uebergießungen und Waschungen) vermehren nur noch die Schwäche in Folge von Ueberreizung der Nerven. Nur was die Ernährung unseres Körpers, und vorzugsweise die der Nervenmasse und des Fleisches fördert, nur das stärkt. Gefördert wird aber diese Ernährung, und zwar stets mit Hülfe des alle Körpertheile durchströmenden Blutes, durch folgende Hülfsmittel:

Rec. Nahrhafte Nahrung 1), die womöglich auch leicht verdaulich sein muß. –

Gute, reine Luft 2), besonders warme, sonnige Waldluft. –
Passende Wärme 3), weder zu hohe, noch zu niedrige. –
Zweckmäßige Ruhe und Bewegung 4), in richtiger Weise mit einander abwechselnd. -

S.Je besser dieses diätetische Verfahren bekommt, desto länger ist es anzuwenden.

Ad 1) Nahrhafte, leichtverdauliche, milde und reizlose Nahrung ist das wichtigste Erforderniß zur Bildung von gutem Blute, durch welches die geschwächte, widernatürlich reizbare Hirn- und Nervenmasse, sowie das kraftlose Fleisch gekräftigt werden kann. Unter allen kräftigenden Nahrungsmitteln steht nun aber die Milch, als dem Blute am ähnlichsten, obenan. Leider ist sie nicht auch das leichtverdaulichste Nahrungsmittel, denn sie gerinnt stets im Magen und kann deshalb einem schwachen Magen sehr beschwerlich fallen. Man thut dann gut, nur wenig Milch auf einmal, aber öfter zu genießen und dazu Weißbrod zu essen. Natürlich muß die Milch, wenn sie gehörig nahrhaft sein soll, auch so wie sie von der Kuh (Eselin) kommt, nicht etwa abgeschöpft (abgerahmt, ihres Fettes beraubt) verbraucht werden. Den Molken fehlen die nahrhaftesten Stoffe der Milch, und deshalb können da, wo es den Körper zu kräftigen gilt, Molken niemals die Milch ersetzen. – Nach der Milch haben die Eier (natürlich Weißes und Gelbes zusammen) den meisten Nahrungswerth; sie sind um so verdaulicher, je weicher sie genossen werden. – Fleisch wird nur dann leicht verdaut und nährt gut, wenn es saftig und weich ist und wenn es klein zerschnitten recht tüchtig zerkaut wird. Fleischbrühe muß schon ein ziemlich concentrirter Fleischsaft (durch Ansfeuersetzen kleiner Fleischstückchen in kaltem Wasser, langsames Kochen und Auspressen derselben bereitet) und gehörig fetthaltig sein, um ordentlich nähren zu können. – Von den zur Zeit so beliebten Malzpräparaten, die aber hinsichtlich ihrer Nährkraft weit hinter den eben genannten Nahrungsmitteln stehen, sind als die noch am meisten empfehlenswerthen zu bezeichnen: das Trommer’sche concentrirte Malzextrakt, die Braunschweiger Mumme, das Zerbster Bitterbier und Malzextrakt und das Malz-Cacaopulver von Koch in Zeitz. – Da unser Körper sehr viel Wasser zu seinem Bestehen braucht, so muß natürlich auch darauf geachtet werden, daß stets die gehörige Menge von Flüssigkeit durch milde, reizlose Getränke in denselben eingeführt werde. Alle erhitzenden Getränke, wie starker Kaffee und Thee, starkes Bier und Wein, sind zu meiden.

Ad 2) Gute, reine Luft ist ebenso wie nahrhafte Kost zum Gesund- und Kräftig-Sein und Werden ganz unentbehrlich; jedoch, muß man eine solche nicht blos bei Tage, sondern auch während des Schlafes in der Nacht einzuathmen trachten. Am kräftigendsten ist die Waldluft, zumal bei Sonnenschein, weil hier die Bäume Lebensluft (Sauerstoff) aushauchen. Uebrigens gewöhne man sich auch noch an langsames und tiefes Einathmen der reinen Luft, da dieses nicht blos die Zufuhr der Lebensluft zum Blute, sondern auch den Blutlauf fördert. – Sonnige Luft und Wohnung unterstützen die Kräftigung des geschwächten Körpers in auffallender Weise. Nur beim Sonnenlicht gedeiht das Leben.

Ad 3) Die Wärme, wenn sie eine nicht zu hohe ist, vermittelt, wie das Sonnenlicht, durch Hebung des Ernährungsprocesses die Kräftigung, besonders der Nervenmasse, während Kälte in doppelter Hinsicht schädlich wirken kann. Denn einmal ist sie der Anbildung neuer Körperbestandtheile hinderlich, und andern Theils veranlaßt sie in den meisten Fällen als starkes Reizmittel für die Nerven eine Ueberreizung derselben, die ebenso krampfhafte, wie lähmungsartige Erscheinungen nach sich ziehen kann. Geschwächte können deshalb gar nicht oft und dringend genug vor dem kalten Wasser und überhaupt vor kühlem Verhalten gewarnt werden. Dagegen sind ihnen warme Wasser- (oder Sand-, Luft-, Moor-) Bäder, sowie mäßigwarmes Bekleiden und Schlafen dringendst anzurathen.

Ad 4) Was das Verhalten eines Geschwächten hinsichtlich seines Thuns und Treibens betrifft, so bedarf derselbe ebenso der gehörigen körperlichen, wie geistigen, gemüthlichen und geschlechtlichen Ruhe, nur muß diese natürlich nicht bis zum anhaltenden und vollständigen Garnichtsthun ausarten, sondern mit mäßigem, sich allmählich steigerndem Thätigsein abwechseln. Besonders ist ein ruhiger Schlaf (auch ein Vormittags- oder Nachmittagsschläfchen) erquickend und stärkend. – Man bedenke, daß das Thätigsein jedes Organs unseres Körpers stets mit Verlust von Stoff und Kraft desselben verbunden ist und daß deshalb zum Wiederersatz des Abgenutzten neues Material aus dem Blute erforderlich ist, daß demnach jedes angestrengtere Thätigsein, also selbst auch das Erregtwerden durch Gesellschaften, Musik, Reisen, kalte Bäder u. s. f., viele und gute Blutbestandtheile verzehrt, die ja doch der Patient nicht wohl hergeben kann, da er derselben zur kräftigern Ernährung seiner geschwächten Organe (besonders des Gehirns und der Nerven) benöthigt ist. Darum pflege der Geschwächte gehörig der Ruhe (vielleicht in einer Hängematte unter Bäumen) und mache zwischendurch zeitweilig kleine, nicht anstrengende Spaziergänge, auf denen er langsam und kräftig zu athmen nicht vergessen mag. – Unter den gemüthlichen Anstrengungen ist vorzugsweise das Heimweh der Heilung sehr hinderlich, und deshalb werden auch viele Kranke, die fern vom Hause sich zu kräftigen gedachten, immer elender. Gemüthsruhe ist die halbe Cur.

Die hauptsächlichsten Verstöße, welche kraftlose, blutarme und nervenschwache Personen bei der Heilung ihrer Leiden machen und welche auch die Schuld davon tragen, daß derartige Kranke trotz aller Euren doch nur äußerst selten ihre volle Lebenskraft wieder erlangen, sind folgende: die Patienten setzen auf die eisenhaltigen Trink- und Badewässer mehr Vertrauen, als auf eine zweckmäßige Nahrung (Milch); sie halten kalte Bäder (Seebäder) für Stärkungsmittel; sie meinen sich durch vieles Spazierengehen kräftigen zu können; sie streben, um die Gedanken von ihren Beschwerden abzuziehen, nach aufregenden Zerstreuungen und Vergnügungen. Und so kommt es denn, daß, was bei einer solchen Cur die Milch und die Luft gut machen, das kalte Wasser, übermäßiges Spazierengehen und ermattende Gesellschaften (nicht selten auch die gesundheitswidrige Kleidung der Patientinnen) wieder verderben. Kurz, nur äußerst selten werden bei den Kräftigungscuren diejenigen diätetischen Gesetze beobachtet, welche stets, aber nur wenn sie alle zusammen gehalten werden, zur Heilung führen.

Bock.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_615.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)