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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

des Freihandels, seine offene Kritik der neuen „Mißregierung“ in Preußen, wofür die Galle der Kreuzzeitung mit all ihrer Ekelhaftigkeit über ihn ausgegossen wird, sein hochherziges Auftreten für den „verlassenen Bruderstamm“ – das Alles sind nicht lose, ungegliederte Aeußerungen eines freisinnigen Ministers, der seinen weniger freisinnigen Berufsgenossen ein Paroli biegen möchte, sondern es sind organische, in sich selbst verbundene Folgerungen aus einem und demselben großen rechtserzeugenden Grundgedanken. Ihm sind Schleswig und Holstein nicht unbenannte Größen, mit denen die Politik auf offenem Markte feilschen darf; ihm sind sie Glieder unseres Leibes, welche mit der Kraft und mit dem Rechte unseres Volkes aus der Sclaverei losgelöst werden müssen, in deren Fänge sie durch eine entsittlichte Reactionspolitik

Franz von Roggenbach.

gerathen sind, aus einer Sclaverei, durch deren henkergleichen Mißbrauch Dänemark uns die Mittel zur Sühne selbst in die Hand gegeben hat. Ihm stand von Anbeginn das Recht des „kurhessischen“ Volkes unerschütterlich fest.

Der badische Antrag am Bunde (4. Juli 1861) ging von der Ueberzeugung aus, daß der vom Bunde eingeschlagene Revisionsweg nach Bundesrecht und öffentlichem Rechtsbewußtsein ein unmöglicher war, wie dies von R. von Mohl, dem badischen Bundestagsgesandten, in seiner zerschmetternden Denkschrift so meisterhaft nachgewiesen wurde. Das Ergebnis der staatsrechtlichen Untersuchung war: Zu-Recht-Bestehen der 31er Verfassung sammt Erläuterungen und Abänderungen von 1848 und 1849 und dem Wahlgesetz von 1849; Vereinbarung mit den hiernach einberufenen Ständen über die Abänderung der unmöglichen, weil mit dem bestehenden Bundesrechte unvereinbaren Bestimmungen. Noch ist es glücklicher Weise nicht zu spät, der kurhessischen Regierung das warnende Wort zuzurufen, das in der badischen Erwiderung auf die kurhessische Abwehrnote seine Stelle fand: daß höher als die Bundesbeschlüsse das Interesse der gemeinschaftlichen Aufrechterhaltung der Hoheit und der Würde monarchischer Ordnung und die unantastbare Heiligkeit bestehender Verfassungen steht.

Die ganze sittliche Kraft von Roggenbach’s Welt- und Staatsanschauung tritt freilich am klarsten heraus in seinem Verhalten zur deutschen Frage. Ihm ist die deutsche Frage keine Frage, sondern ein unwiderlegliches Recht. Wie ein Blitz schlug darum mit der zündenden Kraft der Wahrheit jene Note in die deutschen Gemüther, mit der der Präsident des badischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten die Beust’schen Reformvorschläge vom Standpunkt des nationalen Gewissens zurückwies, eine Note, deren ergreifend wahrer, dem warmen Herzen des Volkes entnommener Gedankenfluß sich ergänzt aus der mächtigen Rede, die Roggenbach in der Adreßdebatte der badischen zweiten Kammer am 13. December 1861 hielt. Kann es eine zu gleicher Zeit wahrere und vernichtendere Charakteristik geben, als die, mit welcher hier Roggenbach das Wesen des Bundestags schilderte? „Von der ganzen Nation aufgegeben, von allen Regierungen aufgehoben, hat die höchste Bundesbehörde, seitdem sie unter wesentlichen Vorbehalten und mit zweifelhaftem Rechte wiederhergestellt worden ist, wenig gethan, eine bessere Meinung zu gewinnen. Und doch ist sie für das herrschende System, die gegenwärtige Bundesorganisation der adäquate Ausdruck desselben und des Widerstreites der vielfachen Interessen in ihr. Es ist die formelle Gestaltung eines falschen politischen Systems, weil sie seinen Zwecken am besten dient.“ Kein Zusammenballen parlamentarischer Stoffe mit dieser der Theilnahme des Volkes längst entrückten Behörde vermag auch nur den entferntesten Anspruch zu machen auf eine Befriedigung des großen deutschen nationalen Bedürfnisses der politischen Sammlung. Eine Volksvertretung am Bunde ist nach den eigenen Worten Roggenbach’s nichts anderes als eine Ableitung der von den Regierungen gefürchteten Gefahr einer Centralgewalt. Jede parlamentarische Vertretung am Bunde bringt nur neue Zerfahrenheit, ein Regiment Aller gegen Alle. Eine parlamentarische Versammlung würde dann gegenüberstehen dem 35stimmigen Widerspruche einer Behörde ohne Verantwortung und ohne Willen. Was kann für solche Auffassung der Delegirtenplan mit seiner verfassungswidrigen Berathung eines unvorhandenen Obligationenrechts Anderes sein, als „ein Vorschlag, der dem Volke für seinen Hunger statt eines Stückes Brod einen Stein bietet“?

Die Lösung der deutschen Verfassungsfrage kann eben nicht in einer Umgehung gefunden werden, sondern nur in der Anerkennung und Befriedigung des nationalen Bedürfnisses. Wie glänzend verwirft, von diesem Gedanken ausgehend, die badische Note das Alternat im Bundesvorsitze als Ausgleichungsmittel! Mit dem einfachen Hinabtauchen in die Denkart des Volkes ist dieser Vorschlag vernichtet, denn er befriedigt vielleicht den betroffenen Einzelstaat, aber ist gänzlich gleichgültig und wesenlos für das Gemeininteresse. Jeder Vorschlag hat nur dann Werth, wenn er dem großen politischen Interesse, dem Interesse deutscher Macht und Unabhängigkeit Befriedigung gewährt. Die bewegende Frage der deutschen Gegenwart faßt sich damit ganz bestimmt zusammen auf den von den deutschen Regierungen ewig umgangenen Brennpunkt der Centralgewalt. Keine Macht der Welt wird einen Plan ersinnen, wie eine kraftvolle thatfähige Centralgewalt gebildet werden könne, ohne daß sie ihre Bausteine hole aus den Machtbefugnissen der bis jetzt in vollster Unbeschränktheit bestehenden Souverainetät der Einzelstaaten. Roggenbach sucht nicht, wie die übrigen Weltweisen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_333.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)