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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

„Um Vergebung, Sie sind wahrscheinlich Goldarbeiter?“

„Zu dienen! Es soll mich freuen, wenn Sie mich besuchen wollen. Ich habe manches seltene Stück, von denen das eine oder andere Ihnen vielleicht vorzugsweise gefiele.“

„Darf ich um Ihre Adresse bitten?“

„Hier ist sie.“

Der Goldarbeiter reichte dem Ohllander seine Geschäftskarte. Auf dieser stand in schön litographirter Schrift der Name L. B. Ulfsen.

Unheimlich forschend ruhte das Auge des Schwarzhaarigen auf dem Fremden aus dem alten Lande. Ulfsen, der eine heitere, harmlose Natur zu sein schien, jederzeit aber gerne Geschäfte machte, nahm das Gespräch wieder auf und sagte zu Krahn.

„Unglück also haben Sie mit dem von mir gewonnenen Gelde gehabt? Wie ging das zu, menn ich fragen darf?“

„Es ergab sich später,“ entgegnete Krahn, jedes Wort betonend und jetzt seinerseits den Begleiter des Goldschmiedes fixirend, „daß es gestohlen war!“

„Da haben Sie’s!“ sprach Ulfsen zu dem Schwarzhaarigen und ließ die Karten fallen. „Sie werden sich erinnern, daß ich gleich Bedenken äußerte und die Person kennen zu lernen wünschte, die Ihnen so werthvolle Dinge als Pfand überlassen hatte. Kennen Sie den Eigenthümer?“ setzte er fragend an Krahn hinzu.

„Es ist mein Freund hier, der Baumhofsbesitzer Osten. In seinen Händen befindet sich jetzt das seltene Stück.“

Ulfsen reichte dem Ohllander vertrauensvoll die Hand. „Ich bedauere aufrichtig,“ sprach er, „daß ich ohne Verschulden zu Etwas gekommen bin, das ursprünglich Ihnen gehörte und von Rechtswegen auch noch gehören sollte. Wir Silber- und Goldarbeiter, die wir edle Metalle besitzen müssen, kommen bei Ankäufen alten Silbers und Goldes oft in Verlegenheit, weshalb wir stets mit großer Vorsicht verfahren. Ich wenigstens habe mir es schon seit Jahren zur Regel gemacht, dergleichen Werthgegenstände nie unter der Hand und von mir ganz unbekannten Personen zu kaufen. Von dieser Maxime bin ich auch bei Erwerbung jener alten Münze nicht abgewichen. Ich erstand sie in öffentlicher Auction, und zwar von diesem ehrenwerthen Herrn, der Ihnen über die Persönlichkeit, von der er sie selbst erhielt, wahrscheinlich näheren Aufschluß geben kann.“

„Kann ich nicht! Werd’ ich nicht und will ich nicht!“ fiel aufgebracht und mit großer Heftigkeit der Schwarzhaarige ein.

„Man wird aber eine solche Auskunft verlangen können, Herr Greifson,“ sagte der Goldarbeiter, „und Ihrer selbst, wie auch Ihres Geschäfts wegen, sind Sie verpflichtet, dieselbe so genau wie möglich zu geben. Ich würde sonst genöthigt sein, jede Verbindung mit Ihnen abzubrechen. Und Sie wissen, ich war stets ein williger und zahlungsfähiger Abnehmer.“

„Wie kann ich alle Menschen kennen und sie fragen nach ihrem Renommée, die mir Gold und Silber und Pretiosen anbieten, gute und schlechte, neue und alte, um dafür von mir zu erhalten eine Zeitlang currentes Geld?“ entgegnete Greifson, der sich jetzt ganz offen als Pfandleiher zu erkennen gab. „Wollte ich die Leute fragen nach Namen, Stand und Gewerbe, so würde ich ihnen erweisen keine Gefälligkeit und sie fortscheuchen aus meinem Hause! Pfand ist Pfand, und Geld ist Geld, und wem es rechtmäßig zugehört, kann man nicht sehen, und setzte man sich auch auf tausend Brillen. Sie tragen ja eine Brille, Herr Ulfsen! Warum haben Sie’s denn nicht angesehen dem dummen Stück Silber, daß es berührt gewesen ist von einem langfingerigen Menschen?“

„Damit wären Sie es nicht los geworden, Herr Greifson! Uebrigens äußerte ich ja einige Bedenken …“

„Nicht über die Münzen, blos über den Bernstein! Und die schönen Bernsteinstücke haben Sie auch nicht gekauft, oder nicht erstanden, als sie kamen zum Ausruf!“

Heinz Osten hatte bisher nur die Rolle eines aufmerksamen Zuhörers gespielt. Er war zur Genüge mit den Vorkommnissen in einer großen Stadt vertraut, um auch die etwas anrüchige Geschäftsbranche zu kennen, die Greifson ihrer Einträglichkeit wegen vielleicht mit besonderer Vorliebe cultivirte. Einen Vorwurf konnte er ihm deshalb nicht machen. Was der Gebrauch und die Lebensgewohnheiten der Menge sanctionirt, ist erlaubt, zumal dann, wenn es[WS 1] noch dazu den Schutz der Gesetze genießt. Den Verlust hatte Osten auch schon verschmerzt, da er ja ein reicher Mann war. Ihm lag nur daran, den oder die Diebe kennen zu lernen, die auf so unerhört schlaue Weise und ohne Zweifel schon vor langer Zeit in sein sicheres Haus eingedrungen waren und ihm gleichsam vor seinen Augen gerade das Liebste, was er besaß, in heimtückischer Berechnung entwendet hatten. Die abweisenden Einwürfe des Pfandleihers, der damit anzeigte, daß er Niemand Rede stehen wollte, verdrossen jedoch Osten, und da er Hamburg nicht ganz unverrichteter Sache wieder verlassen mochte, so meinte er, es sei jetzt die Zeit gekommen, wo er ein Recht zu sprechen und ebenfalls eine Meinung zu äußern habe.

„Es liegt nicht in meiner Absicht, Sie zu schädigen,“ wandte er sich an den Pfandleiher, „Sie werden aber mein Verlangen, den Dieben auf die Spur zu kommen und, wenn möglich, sie zur Rechenschaft zu ziehen, begreiflich finden. Aus diesem Grunde bitte ich, mir die Person zu beschreiben, die das mir gestohlne Gut bei Ihnen versetzte.“

„Ich achte grundsätzlich nicht auf das Aussehen der Menschen, die gegen Pfänder Geld von mir leihen.“

„Das ist ein verwerflicher Grundsatz, Herr Greifson, der Ihnen gelegentlich einmal theuer zu stehen kommen kann!“

„Wie so theuer? Hab’ ich statt des Geldes nicht geldeswerthe Gegenstände?“

„Sind diese gestohlen, so gehören sie Ihnen nicht!“

„Sie gehören mir, sobald ich darauf geliehen habe Geld!“

„Nur in Ihren Augen, Herr Greifson, das Gericht würde anders urtheilen.“

„Ich habe nichts zu schaffen mit dem Gericht!“ schrie Greifson so laut, daß es ganz ruhig im Vorderzimmer ward und der Wirth des Hauses mit leisem Finger an die Thür klopfte.

„Sie werden zur Unzeit heftig, Herr Greifson,“ warf der Goldarbeiter ein, „und machen sich durch diese Heftigkeit verdächtig!“

„Bin ich ein Dieb?“ schrie der Pfandleiher und schlug mit geballter Faust auf den Tisch, daß die vor den Spielern aufgehäuften Geldstapel klirrend umfielen.

„Das behauptet Niemand,“ fuhr Osten fort, „wenn Sie aber hartnäckig behaupten, Sie achteten auf das Aeußere derer nicht, die behufs einer Anleihe gegen Einreichung von Pfändern zu Ihnen kommen, so muß ich annehmen, Sie wollen gewissen Personen nicht hinderlich sein in ihrem dunkeln Treiben.“

„Das will ich auch nicht!“ rief unbesonnen der erhitzte Pfandleiher und hob drohend die Hand gegen den Baumhofsbesitzer. „Wie können Sie sich unterstehen, mir Vorschriften machen zu wollen! mich zur Rede zu setzen! Wer sind Sie überhaupt? Ich kenne Sie gar nicht! Beweisen Sie erst, daß Sie ein Recht haben, mitzusprechen! Beweisen Sie, daß die fragliche Münze Ihnen gehört! daß Sie rechtmäßig in ihren Besitz gekommen sind! Ja, beweisen Sie das, oder man macht kurzen Proceß mit Ihnen, Sie – Sie – Butenmensch!“[1]

Das war ein unbedachtes Wort, das sich auf der Stelle an dem, der es gesprochen hatte, rächen sollte. Der längst schon ergrimmte Ohllander fuhr heftig auf und schleuderte ein nicht minder beleidigendes Wort dem Pfandleiher zu. Dieser blieb die Antwort nicht schuldig, ein hartes Wort folgte dem andern, und ehe es den übrigen Anwesenden gelang, den Streit zu schlichten, kam es zwischen Greifson und Osten zu Thätlichkeiten. Krahn stand sogleich dem Freunde und Landsmanne bei. Ulfsen, der Wirth und einige Andere wollten vermitteln. Der Lärm ward aber nur größer, und da Greifson den Ohllander einen bäurischen Lümmel, dieser dagegen den Pfandleiher einen jüdischen Hehler und Diebsgenossen schimpfte, so war an einen friedlichen Ausgleich gar nicht mehr zu denken. Während des Ringens und Balgens rollte das Geld vom Tische. Das Stampfen und Schreien drang hinaus bis auf die bereits still gewordene Straße und erregte die Aufmerksamkeit der Hafenrunde, die eben um die nächste Straßenecke bog.

Laut rufend und Ruhe gebietend drang die Runde, deren Aufgabe und Pflicht es ist, in der Umgebung des Hafens die nächtliche Sicherheit aufrecht zu erhalten, ein und machte die für den Wirth höchst unangenehme Entdeckung, daß verbotenes hohes Spiel getrieben worden war. Das viele auf dem Boden verstreute Geld, die Karten, welche zum Unglück sogar ungestempelt waren, die theils erhitzten, theils verblüfften Gesichter der Ueberraschten, und das höchst verdächtige Wesen des Wirthes, Alles das zusammengenommen berechtigte den Anführer der Runde zur Arretirung

  1. Butenmenschen nennt der Plattdeutsche jeden Fremden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: s
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_594.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2019)