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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Sehr richtig ist bemerkt: ohne Ansehen der Confession. Es handelt sich ja durchaus nicht um eine confessionelle Demonstration, durchaus nicht um einen Angriff auf den katholischen Glauben, wir fragen nicht, wer katholisch, wer protestantisch; es handelt sich einfach darum, den Evangelischen Salzburgs nach den empörenden Mißhandlungen und Leiden, welche ihre Vorfahren von dem rohesten und brutalsten Fanatismus haben erdulden müssen, endlich zu ihrem Rechte zu verhelfen, zu dem Rechte der Gewissensfreiheit und freien Gottesverehrung, das jeder Religionsgenossenschaft und jedem Mitgliede derselben gleichmäßig zukommt, und zur Benutzung dieses Rechts, zur Befriedigung ihres religiösen Bedürfnisses ihnen die Mittel zu schaffen – es handelt sich um einen Act der Humanität, würdig unsers Jahrhunderts der Aufklärung und Toleranz. Dies ist der Sinn des Unternehmens, und die deutschen Künstler haben ihn wohl verstanden. Wie damals, im Jahre 1731, die Mißhandlung und das Elend der Salzburger Protestanten bei allen Confessionen, in allen menschlich fühlenden Herzen Theilnahme und Mitleid hervorriefen – wie auf der Wanderung der Vertriebenen zahlreiche Katholiken warmes Mitgefühl für sie zeigten und selbst die Juden in edler Mildthätigkeit sich ihrer erbarmten, so haben sich auch jetzt in Nord- und Süddeutschland, in katholischen wie protestantischen Gegenden die deutschen Künstler – gleichviel ob protestantischen, ob katholischen Glaubens – der guten, edlen Sache mit Eifer angenommen. Sie haben es vom Standpunkte jener idealen, humanen Weltanschauung aus gethan, welche, über die Glaubensverschiedenheiten erhaben, die eigentliche Heimath der echten Kunst ist.

In diesem Sinne gab auch bei Gelegenheit der deutschen Künstler-Versammlung in Weimar am 20. August dieses Jahres in erhebender Verhandlung über die Salzburger Angelegenheit Professor Gräfe aus Wien, von anderen Oesterreichern unterstützt, die Erklärung ab, wie er und viele seiner Genossen und Landsleute es sich, als Deutschösterreicher und Katholiken, zur Ehrenpflicht und Gewissenssache machten, früher begangenes Unrecht zu sühnen und ihre brüderliche Gesinnung gegen die Salzburger Protestanten zu bethätigen, während von Blomberg aus Berlin für die protestantischen Brandenburger die Pflicht in Anspruch nahm, im Hinblick auf den Schutz, den einst die ihres Glaubens willen vertriebenen Salzburger bei ihren Altvordern in der Mark gefunden, in demselben Geiste jetzt, wo eine erleuchtete und duldsame Regierung den Salzburgern gestatte, in der eigenen Heimath ihrer Gottesverehrung zu leben, für deren kirchliche Bedürfnisse mit zu sorgen.

Aus Altenburg, Berlin, Braunschweig, Breslau, Carlsruhe, Cassel, Cöln, Danzig, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Eisenach, Frankfurt a. M., Gotha, Hamburg, Hanau, Hannover, Heidelberg, Hildesheim, Ilsenburg, Kiel, Königsberg, Landau, Leipzig, Magdeburg, Mannheim, Meiningen, München, Nürnberg, Oldenburg, Rudolstadt, Stuttgart, Weimar, Wien, Wiesbaden u. s. w. haben sich bereits über 220 Künstler dem Unternehmen angeschlossen und Beiträge bereits eingesandt oder doch zugesagt, und ebenso haben die beim Weimarischen Künstlerfest anwesenden Deputirten der verschiedenen Localkunstgenossenschaften Zusage ertheilt, für die Salzburger Angelegenheit in den Kreisen ihrer Genossenschaften zu wirken. Das Comité hat sich daher veranlaßt gesehen, den Termin für die Anmeldung weiterer Gaben bis zum 1. Jan. 1864 zu verlängern, während die Einsendung der Beiträge selbst bis Johannis 1864 geschehen kann und dann mit der Verloosung selbst vorgeschritten werden wird. Im Ganzen mag bis jetzt ein Werth von ungefähr 8000 Thaler eingesandt oder zugesichert sein. Noch sind aber, um ein würdiges protestantisches Gotteshaus in Salzburg entstehen zu lassen, bedeutende Mittel zu beschaffen. Mit dem zweiten Rechenschaftsbericht hat das Central-Comité daher einen erneuten Aufruf an die deutschen Künstler erlassen. Auch durch die Gartenlaube, das gelesenste, verbreitetste deutsche Blatt, das von jeher jeder echt edlen, patriotischen Sache ihre Spalten entgegenkommend geöffnet hat, sei den deutschen Künstlern die Salzburger Sache dringend an das Herz gelegt. Ihnen sei es Ehrensache, durch Beiträge ihrer schönen Kunst das Unternehmen und durch dessen Unterstützung sich selbst zu ehren; den deutschen Kunstanstalten und dem gesammten deutschen Volke sei es Ehrensache, sowohl jetzt bei der Sammlung der zu verloosenden Kunstwerke, als auch nachher bei der Verloosung selbst den guten Zweck nach Kräften zu fördern. „Möge sich dann“ – so schloß der erste Aufruf, und so mögen auch diese Zeilen schließen – „möge sich dann im romantisch-schönen Salzburg die protestantische Kirche erheben, ein Denkmal ebenso evangelischer Standhaftigkeit der Salzburger, als auch edelster Theilnahme und Toleranz der deutschen Künstlerwelt!“

Robert Keil.





Aus der Chemie des menschlichen Haushalts.
1. Eine Stricknadel als Sicherheitswächterin.

Eine erfahrene Köchin soll es besser verstehen, was zu des Leibes Nahrung und Nothdurft gehöre und wie dies am zweckmäßigsten zu bereiten sei, als alle Professoren und Gelehrten der Welt. Bezweifeln wir dies auch keineswegs, so drängt sich uns doch andererseits der Gedanke auf, daß es unserer Zeit nimmermehr angemessen sei, wenn in irgend einer Beziehung die Praxis allein, ohne jede Theorie, unser Schaffen bestimmt. Diese Einsicht hat die Küchenchemie in das Leben gerufen, an deren Hand die verständige Hausfrau jeden geringsten Gegenstand ihrer Thätigkeit genau kennen lernt, so daß sie nun nicht blos nach den alten Erfahrungen oder den Vorschriften des Kochbuchs blindlings die Speisen darstellen, sondern nach eigenem klaren Wissen das Vortheilhafteste für ihren Haushalt auswählen, sich vor Verfälschungen hüten und die zweckmäßigste Zubereitungsweise ermessen kann. Nächst diesen bietet die Küchenchemie noch zwei andere bedeutende Vortheile: Die Darlegung des Nahrungswerthes der verschiedenen Speisen und die Kenntniß schädlicher Einflüsse, welche von den Geschirren herrühren können.

Blicken wir nun in das wirkliche Leben. An der großen Tafel eines Gasthauses stellen wir keineswegs weitläufige Betrachtungen über die Zusammensetzung der erscheinenden Gerichte an. Wir prüfen dieselben nach ihrer Reinlichkeit, ihrem Aussehen und Geschmack; sind wir von diesen Eigenschaften befriedigt, so langen wir bei gutem Appetit tüchtig zu. Die aufgetragenen Speisen sind sämmtlich köstlich und besonders schön die Compots und eingemachten Gemüse. Die Bohnen z. B. sehen so frisch und lebhaft grün aus, als seien sie soeben erst gepflückt, und doch stammen sie vom vorigen Jahre her.

Bald nach dem Essen fühlen wir eine Unbehaglichkeit, einen unbestimmten Druck im Magen und einen leichten, aber desto unangenehmeren Drang zum Erbrechen. Eine gleich nach dem Mittagsessen getrunkene Tasse starten Kaffee’s lindert die häßlichen Empfindungen zwar, doch stellen sie sich bald wieder ein und werden desto stärker, je mehr der Magen sich entleert. Wir schreiben dies Unwohlsein einer Ueberladung des Magens, dem schlechten Bier, dem starken Rauchen und vielen anderen derartigen Umständen zu, beruhigen uns bei deren Unbedeutsamkeit und ihrem alltäglichen Vorkommen und ertragen unser Leid, so gut es gehen mag. Dergleichen Zufälle wiederholen sich oft, werden auch wohl noch ärger, bringen Abspannung, Mattigkeit und andere Beschwerden hervor, so daß ein Arzt herbeigerufen werden muß. Dieser curirt auf Hämorrhoiden, Magenkatarrh u. s. w., kann jedoch den Patienten keineswegs herstellen, sondern muß ihn mit Hoffnungen trösten – und sich mit der Wahrheit zufrieden geben, daß seine ganze Wissenschaft nicht viel mehr als ein Tappen im Finstern ist.

Indessen liegt die Quelle des Ungemachs ganz nahe – wir sind vergiftet, vergiftet von den schönen grünen Bohnen, die wir so oft in dem Gasthause gegessen haben.

Schauen wir nun aufmerksam im Leben um uns her, da finden wir die Erklärung für eine ganze Reihe von Schmerzen und Leiden, denen das arme Menschengeschlecht ausgesetzt ist und gegen die wir vergeblich Heilmittel suchten, weil wir ihre Ursachen nicht kannten und folgerichtig eben kein Uebel gehoben werden kann, bevor man seine Ursachen zu erforschen und zu heben vermag. Die Gegensätze des Sauer, Süß, Salzig, die Verwandelungen der thierischen und pflanzlichen Stoffe während der Zubereitung in der Küche äußern so mannigfaltige und bedeutende Einflüsse auf die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_702.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)