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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 8. 1865.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Friesenliebe.
(Fortsetzung.)


In Oscar Fordenskiöld’s Antlitz wechselten Gluth und Blässe, er preßte die Lippen fest aufeinander, wie wenn er den heftigen Worten, die er so gern entgegnet hätte, den Weg abschneiden wollte. Erst als er ruhiger geworden, fragte er kurz: „Darf ich den Inhalt Ihres Schreibens erfahren?“

Ein Zug kalter Verachtung zuckte um die Lippen des ältern Mannes. „Du kannst um so eher wissen, was ich an Nanna schreibe,“ entgegnete er, „als es nichts Anderes sein wird, als was ich sie in Deiner Gegenwart fragen wollte.“

„Und im Fall es Fräulein Hansen beliebt, Ansprüche an mich zu erheben, da ich das Glück genieße, ein Freiherr zu sein, während Arnulf Braderöp nur Schiffscapitain ist?“

„In dem Fall löse ich Ingeborg’s Verlobung – und Du wirst hoffentlich so ehrenhaft sein, den Ansprüchen gerecht zu werden, die sie macht, denn wie ich das Mädchen kenne, und das ist seit langer Zeit, würde Nanna Hansen selbst um eine Fürstenkrone nicht Etwas verlangen und thun, wozu sie nicht volle Berechtigung hätte.“

„Onkel, ich bitte Sie, schreiben Sie einen solchen Brief nicht! Greifen Sie nicht zerstörend ein in mein – in Ingeborg’s Schicksal!“

„Ich unterlasse nie etwas von dem. was ich zu thun als meine Pflicht erkannte! Ich sagte Dir, ich könne und wolle Ingeborg nicht als Weib eines Mannes sehen, an den eine Andere Ansprüche habe. Erhebt solche die Tochter des Deichgrafen Hansen – so besser jetzt, als später! Ich theile in dem Fall mein Vermögen zwischen Dir und Ingeborg, behalte mein Kind, das ich, aus Gründen, die Du kennst, vor dem Elend zu bewahren suche, welches mich ereilte und mein Glück, mein Leben zerstörte.“

Oscar Fordenskiöld wollte Einwendungen machen, da fiel sein Blick auf das strenge, entschlossene Gesicht seines Onkels und er schwieg.

Nach Verlauf von acht Tagen, die der junge Mann fern von Ingeborg und dem Hause seiner Verwandten verlebt, trat Baron Fordenskiöld vor seinen Neffen hin, mit den nämlichen, wie aus Erz gegossenen Zügen, unbeugsamen Willens, überreichte ihm einen Brief und sagte ernst:

„Seitdem ich das da gelesen, glaube ich, daß ich Recht und Nanna Hansen einst Ansprüche an Deine Treue hatte. Wie dem aber auch ist, sie weist Deine Hand zurück und Ingeborg kann ich nicht von Deiner Schuld überzeugen. Sie glaubt nicht, daß Du Dich Jener und ihrer unwerth benommen. Ist ihre Liebe nun wirklich so tief und stark, so wird sie die Probe bestehen, die ich für Dich ansetzen muß, um Beweise Deiner Treue und Standhaftigkeit zu erhalten, ohne welche Bürgschaft mir das Loos meines Kindes zu unsicher dünken würde. Drei Jahre sollst Du nach meinem Willen, nach meiner festen, unumstößlichen Bestimmung Ingeborg nicht sehen, nicht an sie schreiben, überhaupt in gar keiner Verbindung mit uns stehen. Kannst du nach drei Jahren Ingeborg’s Hand von mir mit dem guten Gewissen verlangen, das ich bei einem Sprossen des Fordenskiöld’schen Geschlechts voraussetze – so will ich nicht allein des Mädchens Worte auf dem Boikenhügel und diesen Brief hier vergessen, sondern dann auch nicht zögern, Dir Ingeborg zu übergeben.“

„Onkel, Onkel, Erbarmen!“ rief der junge Mann flehend, „kürzen Sie die Probezeit ab!“

„Um keinen Tag! Erst nach Ablauf dieser drei Jahre werde ich von Neuem auf Deine Treue bauen können, wenn in der Zeit Deine Liebe sich bewährt hat.“

Baron Fordenskiöld verließ das Zimmer, sein Neffe aber knitterte den kleinen Brief Nanna Hansen's zusammen und rief verzweifelnd:

„Und würf’ ich mich ihm auch zu Füßen, läge flehend, bettelnd im Staube vor ihm, von jetzt ab bis an’s Ende der Frist mir nur eine Minute zu erlassen – vergebens! Alles vergebens bei ihm, der nicht Gnade noch Erbarmen kennt, sondern mit unerbittlicher Strenge richtet.“

„Wo sich’s um eine Schuld handelt!“ setzte eine andere Stimme hinzu.

Der junge Mann blickte empor und sah in die dunkeln, traurigen Augen der Gräfin Adlersparre, die vor ihm stand.

„Tante, Du hier?!“

„Ich soll bei Dir bleiben, bis Knud Larsson’s Schiff in See geht, auf dem sich bereits Dein Gepäck befindet.“

„Wann ist das?“ fuhr Oscar Fordenskiöld in heftigem Schmerze auf.

„In vielleicht einer Stunde, lieber Oscar; es ist darum Zeit, aufzubrechen!“

„O Tante, kannst Du nicht für mich bitten?“

„Ich that’s, Oscar, aber – vergebens!“




Am Abend desselben Tages schien der Mond hell auf den kleinen Garten am Hause der „Gestrandeten“, der jetzt so verödet, so verwildert im einsamen Dünenthale liegt. Der Silberschein drang in eine dunkle Mooshütte, die, jetzt völlig verfallen, einst ein lauschig Plätzchen bildete, das Erich Larsson der kleinen Ingeborg erbaut und wo sie Beide als fröhliche Kinder ihre harmlosen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_113.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2022)