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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

so bald wieder zu hungern brauche; wieviel kann es sein? … Hundert Franken etwa?“

Er brach die Rolle auf, sie enthielt fünfundzwanzig Doppellouisd’or! Simon weinte fast vor Freude.

Lamartine hatte mit seinem seltenen Zartgefühl zugleich die Eigenliebe des Künstlers schonen und den Menschen aus dem Elende reißen wollen. Simon kam dadurch auch zur Erkenntniß; er eröffnete ein Geschäft als Zimmer- und Firmenmaler, verheirathete sich und lebt in bescheidenen, aber angenehmen Verhältnissen. Es hat ihm seitdem nie wieder an einem Frühstücke gefehlt.




Weihnachten in Amerika. In New-York, wo vermöge eines fortwährenden Zuzuges frischer Einwanderung aus Deutschland, der hier immer verhältnißmäßig größer war, als fast an allen andern Orten des Unionsgebietes, deutsches Wesen immer mehr einzudringen beginnt, sah man noch vor fünfzehn Jahren zur Weihnachtszeit nur auf einer einzigen Stelle am Broadway wenige Tannenbäumchen für das Christfest zum Verkauf ausgestellt. Es war dies vor der Dreieinigkeitskirche, die[WS 1] die Wallstreet westwärts abschließt und wo ersichtlich auf einzelne deutsche Kaufleute speculirt wurde, von denen ausnahmsweise an der altheimathlichen Sitte des Christbescheerens festgehalten wurde. Jetzt spielt durch die ganze Riesenstadt der Weihnachtsbaum einen, man darf sagen ansehnlichen Handelsartikel und ist an vielen Verkaufsstellen zum Theil massenhaft ausgestellt neben grünen Laubkränzen und Sternen, die zur fröhlichen Ausschmückung von Gemächern dienen. Am Feste selbst flimmert und flackert es fast in den meisten Häusern, selbst in vielen Wohnungen der Angloamerikaner, von angezündeten Christbäumen, welche mit Naschwerk und Geschenken zur Freude von Jung und Alt behangen sind. Vorher wimmelt es namentlich in den deutschen Zeitungen von Anzeigen, die auf das Christfest Bezug haben. Es ist wirklich nicht zu viel gesagt, wenn behauptet wird: die Deutschen haben tüchtig angefangen, Nordamerika für das Weihnachtsfest zu erobern und demgemäß zu germanisiren.

Dringen wir etwas tiefer in diese Erscheinung, so gewinnt dieselbe sehr an Bedeutung; denn auf diesem Wege wird offenbar die harte Rinde durchbrochen, welche sich durch das Puritanerthum der Angloamerikaner um deren Gemüther gebildet hat und eine Scheidewand zwischen ihnen und dem deutschen Bevölkerungselement herstellte. Die civilisirende Sitte des gegenseitig beglückenden Schenkens zur Freudenerzeugung öffnet Herzen und Gemüther, eine duftende Blume in die rauhere Jahreszeit flechtend. Den Deutschen gebührt hierbei der Ruhm, durch ihr Beispiel zuerst den Kindern der Angloamerikaner das Verlangen nach einem Christbaum eingeflößt zu haben, dem sodann die zärtlichen Mütter folgten, worauf den nur auf Geschäfte und Geldgewinn denkenden Gatten und Vätern nichts übrig blieb, als sich dem Walten dieser einflußreichen Willensäußerungen zu fügen. Allmählich haben sich Letztere an eine gemüthlichere Manier des beseligenden Gebens und Schenkens gewöhnt, während sie sonst nichts als jene flüchtige Freude am Nehmen und Empfangen kannten. Darin liegt zweifelsohne ein bedeutender Fortschritt auf der Civilisationsbahn und es ist Aussicht vorhanden, daß nach und nach eine Bresche in dem Bollwerk der hartgesottenen, ungezügelten Selbstsucht durch Liebesbeweise geschossen werden wird, wodurch das Gesellschaftsleben in Nordamerika seine Unerquicklichkeit verlieren muß, über die Jedermann klagt, oder die doch Jeder fühlt, ohne sich genauere Rechenschaft darüber zu geben.

Von den Deutschen New-Yorks und seiner Umgebung wird die Weihnachtsfeier mit zubehörigem Christbaum nicht blos auf den Familienkreis beschränkt, sondern noch auf weitern socialen Verkehr ausgedehnt. Sie veranstalten vielfach häusliche Feier am „heiligen Abend“ und ziehen dazu ihre intimeren Freunde herbei, versammeln sich aber am folgenden eigentlichen Christtag in Localen, wo sie sonst zu geselligen Zwecken zusammenkommen, um unter Gesang, Tanz oder andern Belustigungen den Winterabschnitt des Jahren zu feiern. Ein stattlich aufgeputzter Christbaum von möglichst kolossalem Umfange bildet dann gewissermaßen den Mittelpunkt des Vergnügens, welches den Angloamerikanern völlig unbekannt war. Diese hielten sich nur an den Sanct Niklas, unsern deutschen Knecht Ruprecht, welchem aber kein freundliches Christkind folgte.

Mehrfach werden auch gegenwärtig von Schulanstalten Christbescherungen veranstaltet, die den Weg in Kinderasyle und dergleichen fanden, nachdem vorher zu dem Zwecke freiwillige Gaben eingesammelt wurden. Mit einem Worte: es trägt die deutsche Sitte in erwähnter Richtung ihre beglückenden Folgen allmählich in eine Bevölkerung, deren bisherige Freudenarmuth sprüchwörtlich bei denen geworden war, die mit der erquicklicheren europäischen, namentlich der deutschen Bildungsatmosphäre Bekanntschaft gemacht hatten. Stehen die Lehrer dabei noch immer nicht im erwünschten Ansehen, genießen sie keine gebührende Achtung, kommt ihnen, freilich schon seltener als früher, der Schimpfname „Dutch“ (Tölpel) von den Schülern roh entgegen: so kann sie der thatsächliche gute Erfolg ihren beispielgebenden Einflüssen schon darüber trösten. Weiß man doch deutscher Seits, daß der gegen uns dargelegte Fremdenhaß eigentlich hauptsächlich aus dem Gefühl der ideellen Ueberlegenheit des deutschen Elements über das englische entspringt. Verständige Lehrer können Schülerungezogenheiten niemals ernstlich erzürnen.




Tausend Kerzen, oder: wie Ulmann Reclame zu machen versteht! Von Director Ulmann, welcher gegenwärtig als höherer Bärenführer Carlotta Patti, Jaell, Vieuxtemps und andere Virtuosen „herumführt“, erzählt der Claviervirtuose Henri Hertz eine sehr ergötzliche Geschichte. Er reiste vor einiger Zeit unter Ulmann’s Leitung in Amerika, hatte in einer Stadt bereits zwei Concerte gegeben und machte die Bemerkung, daß sein Talent doch nicht mehr so recht ziehen wollte, denn es wurden sehr wenig Billets verkauft. Da zeigte ihm Ulmann triumphirend an, er habe das rechte Mittel gefunden, die Theilnahme des Publicums auf’s Neue zu beleben.

Hertz ging durch die Stadt und sah an allen Straßenecken die Anzeige von seinem nächsten Concert auf ungeheuren Zetteln, welche in kolossalen Lettern die Ueberschrift trugen:

Tausend Kerzen!

Es war nämlich in der Anzeige gesagt, daß der Concertsaal mit tausend Kerzen beleuchtet sein werde. Diese Art, die Leute anzulocken, erschien ihm ebenso lächerlich, als unwirksam, aber er irrte sich; die tausend Kerzen erregten die Neugierde der Amerikaner in solchem Grade, daß im Laufe des Tages alle Plätze verkauft waren. Trotz dieses Resultats wollte Hertz, daß die tausend Kerzen von den Anzeigezetteln verschwinden sollten, allein Ulmann verweigerte dies entschieden, indem er erklärte, Hertz verstände gar nichts von Geschäften.

Freilich mußte sich dieser selbst gestehen, daß Ulmann’s tausend Kerzen mehr Erfolg hatten, als sein russisches Rondo, das er vor einem ganz zerstreuten Publicum spielte. Er war darüber ärgerlich, Ulmann zählte jedoch die Einnahme und war stolz auf seine Idee. Als Hertz sein erstes Stück zu Ende gespielt hatte, erhob sich einer der Zuhörer und rief ihm mit lauter Stimme zu: „Aber, mein Herr, es sind doch nicht tausend!“

Der Virtuos hatte ganz die Kerzen vergessen und fragte: „Tausend? Was denn?“

„Nun, tausend Kerzen! Deswegen bin ich ja nur gekommen!“

„Und wie viel sind en denn?“

„Es fehlen gerade acht Stück.“

Dieser feine Kenner nicht der Musik, sondern der Kerzen, hatte die Geduld besessen, sie alle zu zählen und verlangte nun die acht fehlenden, da er sich nicht betrügen lassen wollte.

„Gut, mein lieber Herr,“ sagte Hertz ganz ernsthaft, „ich schulde Ihnen also acht Kerzen und werde sie zu Ihrer Disposition stellen.“




„Prinz Eugen, der edle Ritter.“ In Wiener Kreisen circulirt seit der Enthüllung des Eugen-Monumentes folgendes Epigramm:

Prinz Eugen, der edle Ritter,
Sicher Oestreichs kühnster Aar;
Schmeckt daran nur Eines bitter,
Daß er ein – Franzose war!




Germania auf dem Meere. Die meisten unserer Leser werden das patriotischer Gesinnung entstammende schöne Bild kennen, mit dem uns Lorenz Clasen, der talentvolle deutsche Historienmaler, schon vor Jahren beschenkte und welches als „Germania auf der Wacht am Rheine“ sehr bald ein Lieblingsbild des deutschen Publicums geworden ist. Als ein Gegenstück dazu hat der Künstler unlängst seine „Germania auf dem Meere“ gegeben, welche ebenfalls auf mehreren deutschen Kunstausstellungen große und verdiente Anerkennung gefunden hat. Auch von diesem Gemälde ist von E. Kühnel bei J. G. Fritzsche in Leipzig eine lithographische Nachbildung erschienen, die als ein durchaus gelungenes Werk des deutschen Steindrucks auf das Wärmste empfohlen zu werden verdient und von deren künstlerisch schöner Auffassung wie trefflicher technischer Ausführung die erste Illustration unserer heutigen Nummer zeugt, welche nach dieser Lithographie gezeichnet worden ist. Der Gegenstand des Bildes bedarf keiner Erklärung; es stellt die Germania dar, wie sie mit dem wallenden Banner des deutschen Reichs das Schiff „Vaterland“ kühn und kräftig durch Sturm und Wogen zum glücklichen Ziele führt. – Wann wird es Wahrheit werden, was hier die Phantasie des Künstlers geschaffen hat?



Dr. Otto Ule,
Populäre Naturlehre
(Physik)
oder die
Lehre von den Bewegungen in der Natur und von den Naturkräften im Dienste der Menschen.
Für Jedermann faßlich dargestellt.
Mit zahlreichen Holzschnitten.
In 6–8 Lieferungen à 7½ Ngr.

Das obige Werk, aus der Feder des in den weitesten Kreisen bekannten Redacteurs der unter dem Titel „Die Natur“ erscheinenden Zeitschrift, wird von allen Freunden der Naturwissenschaft sehr willkommen geheißen werden, da der Verfasser die gesammten Lehren der Physik in anziehender und verständlicher Form darstellt und vorzugsweise dem alltäglichen Leben seine Aufmerksamkeit zuwendet, wo er die Gegenstände zu finden weiß, an denen die großen Wahrheiten der Physik zu entwickeln sind. Die Einsicht der bis jetzt erschienenen drei Lieferungen wird das Publicum von dem praktischen Nutzen dieses Werkes überzeugen.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. ergänzt, Vorlage ohne Relativpronomen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_720.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2022)