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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

ein braunschwarzes Gefieder. Sehr interessant ist mir die Erscheinung gewesen, daß einige fast völlig schwarze Tigerfinken in meiner Vogelstube sich allmählich wieder zum schönsten Hellgelb verfärbten.

Im kleinen Käfige ist jedem Vogel frisches Wasser ein wichtiges Bedürfniß; man gebe es daher stets täglich zwei bis drei Mal. Ebenso ist möglichst oft frischer, trockener Sand, ein Talgstückchen, Sepia oder Eierschale und vornehmlich äußerste Sauberkeit noch nothwendiger, als in großen Räumen. Die Schublade des Käfigs wird mindestens wöchentlich einmal herausgenommen, nachdem sie sauber gereinigt, mit feiner, trockener Asche bestäubt und dann dünn mit Sand bestreut ist. Hat man die Schublade nicht von Holz, sondern von Zink, Eisenblech oder dergleichen, so wird das Ascheausstäuben nicht nöthig; man belegt sie alsdann stets mit einem reinen Papierblatt und streut darauf den Sand. Dieser letztere darf für die kleinen Käfige nicht in bloßem Stubensande bestehen, sondern muß etwa zum sechsten oder achten Theile mit reiner, nicht gedüngter, schwarzer Gartenerde tüchtig vermischt und dann durch einen Durchschlag gesiebt sein. Für die Vogelstube ist dies nicht nöthig, da die Vögel hier an den Blumentöpfen Ersatz finden. Man thut gut, wenn man die Reinigung des Käfigs an ganz bestimmten Tagen und eben so die Fütterung und Erneuerung des Trinkwassers zu ganz bestimmten Stunden festsetzt; dadurch wird am sichersten eine mögliche Versäumniß vermieden. Vor der Reinigung der Schublade, jedenfalls aber bei warmem, sonnigem Wetter möglichst oft, setze man den Vögeln einen flachen Napf mit Badewasser hin, welches im Winter einige Stunden in derselben Stube gestanden haben muß, und bereite ihnen dadurch einen Genuß, der für ihr Wohlgedeihen außerordentlich fördersam ist.

Freundliche und liebevolle Behandlung, Vermeidung jedes Erschreckens und Verschüchterns ist nicht minder Erfordernis; des Wohlbefindens unserer kleinen Lieblinge. Von vornherein vermeide man es, sie mit den Händen anzufassen; beim Reinigen des Vogelbauers oder Wechseln desselben stelle man einen leeren Käfig daneben, offene beide Thüren und jage die Vögelchen ohne große Aengstigung in den letzteren und, sobald der erstere gereinigt ist, ebenso wieder zurück. Da die meisten Stubenvögel, namentlich in kleinen Käfigen, oft unnatürlich lange Nägel an den Zehen bekommen, die ihnen sehr lästig werden, so muß man dieselben, natürlich mit großer Vorsicht, etwa alljährlich einmal verschneiden. Dazu muß man den Vogel dann freilich greifen, lose und zart, doch sicher, so daß er nicht unversehens entschlüpfe, in die hohle Hand nehmen, jeden Nagel gegen das Licht halten, und soweit als thunlich mit einer scharfen Scheere abschneiden.

Will man ein Pärchen dieser Vögel, gleichviel von welcher Art, im Kleinen und in der Wohnstube zur Zucht bringen, so muß der Käfig mindestens dreifach so groß sein. Man bringt dann in der einen Ecke ein Harzerbauerchen, in welchem ein mit Leinwand ausgefüttertes Nestkörbchen befestigt ist, und in der anderen Ecke ein freihängendes Nestkörbchen an und läßt den Vögeln die Wahl. Amaranths, Goldbrüstchen, Elsterchen etc. bauen im ersteren, Astrilds, Helenafasänchen, Tigerfinken etc. überwölben sich das letztere. Ist der Käfig geräumig genug, so kann man statt des freihängenden Körbchens einen Busch aus dünnem Gesträuch anbringen, in den sie noch viel lieber bauen. Dabei versäume man aber nicht, mit den angegebenen Baustoffen sie möglichst reichlich zu versehen, denn manche, wie z. B. Astrilds und Schmetterlingsfinken, sind im Bauen unermüdlich und tragen noch immer ein, wenn sie schon Junge haben. Die Goldbrüstchen suchen jedes Mal, gerade in der Zeit, wenn die Jungen aus den Eiern schlüpfen, mit förmlicher Herzensangst nach weichen Federn.

Als inniger Vogelfreund hasse ich nichts so sehr, als die sogenannten Volièren, welche als bloße Luxusgegenstände ihre bedauernswerte Bewohnerschaft nur zur Spielerei enthalten. Die Vögelchen sind in ihnen, von allen Seiten unbeschützt, fortwährender Unruhe und Beängstigung ausgesetzt und zu langsamem Hinsterben verdammt. Wer einer bunten, mehr oder minder kostbaren Vogelgesellschaft als Luxusgegenstand oder zum Vergnügen sich erfreuen will, der suche den Thierchen mindestens einigermaßen naturgemäße Einrichtungen zu schaffen. Vor Allem muß der Käfig, gleichviel ob groß oder klein, von einer oder besser noch von drei Seiten geschützt sein; er muß mindestens an einer Wand stehen, doch mit der Hauptseite dem vollen Lichte zugekehrt sein, auch die Morgen- oder Abend-, nicht aber die prallende Mittagssonne bekommen. Sodann bringe man stets in einer oder zwei Ecken dichtes Gebüsch an, in welches die Vögel bei jeder Beängstigung schlüpfen können; beim kleinen Käfig ist es ausreichend und zugleich sehr schön, wenn man einen Topf mit Epheu daneben stellt und die dem Lichte entgegengesetzte Seite damit überzieht. Jeder zum Nisten bestimmte Vögel enthaltende Käfig muß durchaus ungerückt auf einer Stelle stehen bleiben, auch eine sehr lose ausziehbare Schublade haben.

Sobald die Vögel nun wirklich bis zum Nisten gelangen, beginne man bereits während der Brutzeit, ihnen allmählich eingequellte Sämereien, je nach der Zeit, frische oder aufgeweichte Ameiseneier oder auch kleine Maden, Räupchen etc., falls man dergleichen bekommen kann, ferner frische, weiche Vogelmiere, eingequellte und ausgedrückte Semmel, auch frischen Quarkkäse, oder fein gehacktes Eigelb und abgesondertes Eiweiß zu bieten, und sobald die Jungen vorhanden sind, lasse man es an denen von diesen Nahrungsmitteln, welche sie annehmen, niemals fehlen. Im Gegentheil versuche man es immer wieder auch mit denen, die sie bisher noch nicht gefressen haben. Da liegt es manchmal an einer Kleinigkeit, die gerade mangelt und doch der Brut zum unabwendbaren Verderben gereicht. So habe ich den kleinen Astrilden versuchsweise Grassämereien, wie sie auf den Heuböden zu finden sind, und den größeren Amadinen ungeschälten und eingequellten Reis gegeben, und über Beides fielen sie eifrig her.

Sehr erfreut und zu großem Danke verpflichtet haben mich mehrere Vogelfreunde durch die Mittheilungen ihrerseits erzielter Züchtungserfolge und der dabei gemachten Beobachtungen. Namentlich interessante Züchtungen hat Herr Hermann Leuckfeld in Nordhausen erlangt, indem er von dem rothen Cardinal, der herrlichen „virginischen Nachtigall“, ferner von den schönen australischen Graspapageien, den Corellas oder Nymphenpapageien, Wellensittichen und brasilianischen Canarienvögeln Junge glücklich erzogen. Weitere namhafte Erfolge hat – soviel ich bis jetzt weiß – ein Verlagsbuchhändler in Stuttgart gehabt, der sogar einer Brut des schönen grünen Cardinals sich erfreute, ferner der Director des zoologischen Gartens in Breslau, Herr Dr. Schlegel, welcher einige Webefinken, wie Elsterchen und Halsbandvögel, ebenso Wellensittiche, Corellas etc. mit Glück in großer Anzahl züchtete und dies in Dr. Noll’s „Zoologischem Garten“ veröffentlicht hat.

Somit ist es ganz zuversichtlich anzunehmen, daß alle diese schönen und lieblichen Vögel einerseits durch dankbare Züchtungserfolge ihre Pfleger immer häufiger erfreuen und andererseits sich immer mehr Freunde erwerben werden, ebenso in allen Theilen unseres großen Vaterlandes, wie in allen Bewohnerclassen desselben.

Sie verdienen Beachtung und Liebe wirklich in hohem Grade!

In kleineren Städten und auf dem Lande sind diese Vögel bis jetzt aber noch fast gar nicht zu finden; ihrer Verbreitung auch dorthin dürfte daher die Notiz wohl förderlich sein: daß sie ohne besondere Gefahr sich auf der Post in weite Entfernungen verschicken lassen. Erst kürzlich habe ich jenem Buchhändler nach Stuttgart ein Paar Sperlingspapageien gesandt, und sie sind trotz der weiten Reise (von Berlin aus) glücklich angekommen. Auf Wunsch nenne ich schließlich noch als zuverlässige und ehrenhafte Händler für den Bezug von Berlin Mieth und Donndorf, von Hamburg C. Hagenbeck.

Karl Ruß.




Goethe und die schöne Mailänderin.

Als Goethe im September 1786 über die Alpen gegangen war, fand er sich in dem schönen, zum Lebensgenuß reizenden Italien bis tief in den Sommer des nächsten Jahres hinein vor der Wiederkehr der alten Sesenheimer und Wetzlarer Freuden und Leiden durch Zweierlei geschützt. Erstens hatte er die Liebe zu Frau von Stein als schirmenden Talisman mitgebracht. Aber eine stärkere Schutzwehr noch war die ungeheuere Fülle neuer Anschauungen, die ihm Kunst und Natur in Italien darboten,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_617.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)