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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 41.   1868.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Süden und Norden.
Eine baierische Dorfgeschichte von 1866.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Die Funkenhauserin machte sich emsig am Heerde zu schaffen, Frau Schulze hatte sich auf den Rand desselben gesetzt, Günther und Ambros saßen einander gegenüber auf den Bänken der Hütte. Ohne es zu zeigen, beobachteten sie einander, und Keiner verließ die Stube, weil Jeder sicher war, daß der Andere schnell einen Vorwand finden würde, ihm zu folgen.

„Weil wir gerade Zeit haben,“ sagte Frau Schulze, indem sie ein Blatt aus der Tasche zog, „muß man doch ein wenig umsehen, was in der Welt draußen geschieht. Ich habe darum meine Zeitung mitgenommen. Es ist eben eine schwere, bedenkliche Zeit.“

„Ja wohl,“ rief die Bäuerin. „Drum ist mir’s auch am liebsten, wenn ich von gar nix hör’, und ich bin oft froh, daß ich so einsam auf mein’ Hof leben kann und oft Wochen lang nix erfahr’, was in der Welt g’schieht.“

„Es ist allerdings angenehm,“ sagte Günther, „unter sich so recht behaglich und zufrieden beisammen leben zu können, und es ist ein erklärlicher Wunsch, Alles fern zu halten, was ein solches Glück stören könnte; allein da wir uns doch einmal nicht unter eine Glasglocke setzen und von der Luft absperren können, müssen wir wohl oder übel auch das mitnehmen, was eben in der Luft der Zeit liegt. Wie steht’s mit den politischen Angelegenheiten, Mutter? Ist schon eine Entscheidung getroffen?“

Frau Schulze hatte einen raschen Blick in das Blatt geworfen, dann ließ sie es mit einem Ausruf schmerzlicher Ueberraschung wieder sinken. „O mein Gott!“ sagte sie, „es ist also wirklich wahr!“

„Was denn?“ riefen Alle miteinander.

„Der Bundestag in Frankfurt hat beschlossen, daß die Bundesfürsten rüsten sollen, Preußen ist darauf aus dem Bunde ausgetreten und hat ihn für aufgelöst erklärt.“

„Allerdings schlimme Nachrichten,“ sagte Günther ernst. „Das heißt mit Einem Worte: der Krieg ist erklärt.“

„Leider,“ rief Frau Schulze, „und er hat auch bereits begonnen. Die Preußen sind schon am Tage darauf in Sachsen und Kurhessen eingerückt.“

„Was,“ sagte Ambros, „so ohne Weiter’s? Und was haben denn die Sachsen und Hessen gethan?“

„Nichts,“ erwiderte Frau Schulze. „Sie waren überall unvorbereitet. Die Preußen sind in Dresden ohne Schwertstreich eingezogen; in Cassel haben sie den Kurfürsten gefangen genommen und mit sich weggeführt.“

„Und kein Mensch hat sich entgegengestellt?“ rief Ambros wieder. „Kein Mensch hat sich gewehrt? Sie haben sich das ruhig g’fallen lassen?“

„Um Gotteswillen!“ rief jetzt die Funkenhauserin, welcher der Kochlöffel entfallen war, und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen. „Also soll’s wirklich Krieg geben, und der Krieg könnt’ am End’ wohl gar auch bis zu uns nach Baiern kommen, und da könnten die Preußen als Feind’ zu uns kommen?“

„Das ist leider nicht unmöglich,“ sagte Günther. „Bis jetzt steht Baiern bei den Gegnern von Preußen.“

„Mein Gott, mein Gott!“ jammerte die Bäuerin wieder, „was soll denn daraus werden? Das kann ja doch net sein! Der liebe Gott wird doch ein Einsehen haben, daß er uns vor solchem Unglück bewahrt!“

„Ho,“ rief Ambros, „deswegen braucht die Frau Bas’ die Courag’ net so g’schwind zu verlieren! Es is schon was gut dafür, daß die Preußen net zu uns kommen.“

„Nun, und was denn?“ fragte Günther gespannt.

„Unsere Fäust’, Herr Günther,“ entgegnete Ambros, indem er aufstand und mit nicht zu mißkennender Geberde seine kräftigen Arme streckte.

Günther zuckte die Achseln. „Es wäre schlimm, wenn es zum Widerstande käme. Ich weiß zu gut, wie vollständig und ausgezeichnet wir in jeder Beziehung gerüstet sind; der Erfolg wird zeigen, daß wir die Uebermacht haben. Was können da Staaten ausrichten, welche im Verhältniß um so viel kleiner und machtloser sind? Man wird gut thun, es sich zwei Mal zu überlegen, ehe man es zum Widerstande kommen läßt. Diese vielen kleinen Staaten haben von jeher zu nichts Gutem geführt, und das Volk befindet sich am besten, je größer das Land ist, zu dem es gehört. Was liegt auch am Ende daran, ob zu dem Weiß in Euerer Farbe Schwarz zu stehen kommt oder Blau? Es kommt am Ende auf Eins heraus.“

„Das versteh’ ich net so genau, Herr Günther,“ sagte Ambros etwas derb; „aber das weiß ich, daß wir Baiern uns unser Weiß und Blau net nehmen lassen, und daß es uns auch kein Mensch nehmen kann. Schauen S’ hinauf auf ’n Himmel! Der tragt unsere Farben. Nehmen Sie s’ ’runter, wenn Sie können!“

„Hm,“ entgegnete Günther ebenfalls etwas gereizt, „das ist eine Redensart, ein recht hübscher Einfall, der Dir alle Ehre macht, wenn Du ihn vielleicht in einem Deiner Schnaderhüpfeln

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 641. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_641.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)