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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

hat ihren Ursprung in den ersten Silbermann’schen Instrumenten. Die Deutschen verließen nämlich nach dem Tode desselben die von ihm angewandte Mechanik und erfanden die sogenannte deutsche Mechanik, während die Silbermann’sche durch einen Schüler Silbermann’s, Zumpe genannt, nach England gelangte und sich dort als englische Mechanik ausbildete. Dieselbe hat sich als so vorzüglich bewährt, daß jetzt alle Welt darnach arbeitet und sie auch die deutsche gänzlich verdrängt hat. Der Unterschied beruht hauptsächlich in der Art der Befestigung des Hammers: bei der deutschen Mechanik ruht er auf der verlängerten Taste selbst, bei der englischen dagegen hat er seinen Sitz auf einer besonderen Leiste.

Man ist jetzt eifrig bemüht, in Museen die alten vergessenen Kunstinstrumente aller Gattungen zu sammeln, um auch dem Zweige der geschichtlichen Forschung die Mittel an die Hand zu geben. Leider ist so barbarisch mit den Instrumenten umgegangen worden, daß wir über viele nur noch durch Beschreibungen und Abbildungen in Büchern Belehrung finden. Wer also im Besitze eines alten Instrumentes ist, der wird hiermit aufgefordert und gebeten, dasselbe nicht dem Verderben preiszugeben, sondern es irgend einem Museum anzubieten, wie deren in Dresden, Nürnberg, Salzburg, Wien und Berlin sich befinden. Kennen wir doch die Silbermann’schen ersten Pianoforte nur noch aus Beschreibungen, und wie interessant wäre es, die ganze Stufenleiter der Verbesserungen vor sich zu haben!

Rob. Eitner.




Ein Messerschlucker aus alter Zeit. Unsere Leser erinnern sich wohl noch der seltsamen Nachricht, welche jüngst von Florenz aus durch alle Zeitungen lief und nach welcher daselbst ein Mann eine Gabel verschluckt haben sollte. Die Nachricht wurde gewiß von den Meisten mir mit ungläubigem Lächeln aufgenommen. Daß ein solches Vorkommniß indessen durchaus nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, mag der nachfolgende, nach dem Original wörtlich wiedergegebene Bericht eines Mitglieds des Doctorencollegiums von der. Universität Königsberg aus der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts beweisen. Derselbe lautet:

Historia deß Preußischen Messerschluckers. Darin erzehlet wird, wie er das Messer hinab geschluckt, dasselbe wiederum durch den einen Schnitt herauß gebracht, er glücklich geheylet, und nunmehr in den Ehestand getretten, und saßhaft zu Landsberg worden.

     Geschrieben durch Dr. Daniel Becker.

Im Jahr unsers Herren und Seeligmachers Jesu Christi, tausend sechshundert und fünff und dreyßig, den 29. Mai neuen Kalenders, hat sich ein Bauersgesell mit Nahmen Andreas Grünheide, von Grünenwald,

Natürliche Größe des verschluckten und wieder aus dem Magen geschnittenen Messers.

sieben Meilen von Königsberg gelegen, etwas übel im Magen des Morgens befunden, und deßwegen seiner Gewohnheit nach, sich zum Erbrechen bemühet, wie er nun sein gewöhnliches Messer ergriffen, hat er es bey der Spitze des Stils gefasset und den Schlund mit dem Schafft gekützelt. Es hat aber das Erbrechen nit bald darauff erfolgen wollen. Deßwegen er dasselbe etwas tieffer hinab gestoßen. Da es dann wider alles Verhoffen ihm auß den Fingern entwichen, und also den Schlund hinab gesunken: doch nicht alsobald in den Magen kommen, sondern fast in der Mitte des Schlundes sich etwas auffgehalten, und nicht wenig Bangigkeit und Schmertzen erreget. Ob nun schon der Mensch über dieses unverhoffte Unglück nicht wenig bestürtzet auch auff den Kopf sich gestellet, die Füsse in die Höhe kehrend, als solte das Messer sich widerumb zurücke begeben, so ist doch alles vergebens gewesen. Deßwegen eine Kanne mit Landbergs Bier ergriffen, außgetrunken, und die Kähle damit offtmahls gefeuchtet, dadurch dann das Messer nach dem Magen befördert und darein gesunken ist. Nicht wenig ist er darüber betrübet worden, sich besorgende, der ungebetene Gast würde ihm den Magen durchschneiden, und ihn also in Gefahr deß Lebens setze: doch hat er dabey sein häußlich thun ohne sonderliche Beschwerde seiner vorigen weise nach bestellen und verrichten können.

Wie nun solches in derselben Gegend lautbar worden, und es sonderlich dem Herrn Burgermeister zu Landsberg Martino Hartlein zu Ohren kommen, hat er denselben Menschen von stund an ersuchet, und alles mit Fleiß erlernet, wie es mit ihm zugegangen: Auch darauff nach Königsberg, welches sieben Meilen von Landsberg abgelegen, sich begeben, mich ersuchet, und die gantze Geschicht umständlich mir referiret, darbey gebetten, ob nicht etwan Rath vorhanden, damit dem betrübten Menschen möchte geholffen werden: Hierauff ich zur Antwort gegeben, daß es nicht eine geringe Sache wäre, und man dergleichen Exempel, ausserhalb der Pragischen Historia, die ich ihm erzehlet, keines wüste. Daselbst (in Prag nämlich) hatte auch einer unverhofft ein Messer hinabgeschluckt, und wäre es wiederumb durch einen Schnitt künstlich herauß genommen, und glücklich geheilet worden: Gab derowegen diesen Rath, daß man den Patienten anhero nach Königsberg abfertigte, damit das gantze Collegium Medicum darüber deliberire, und etwas gewisses schliesse; welches der Herr Burgermeister auch an sich genommen. Bald darauff nach wenig Tagen ward eben dasselbe von einer Adelichen Persohn anderen Medicis durch Schreiben zu wissen gethan. Endlich kommet der Patient selbsten anhero, spricht mir zu, als damahligen Facultatis Medicae Decano, gehet auch zu den andern Medicis, welche alles gründlich von ihm erforschet, und den rechten Zustand, wie oben erzehlet, von ihm vernommen.

Deßwegen ich auff Gutachten der Herren Medicorum folgendes einen Conventum angestellet, und darzu die Medicos Facultatis invitiret, und hat ein jeder, wie es gebräuchlich ist, seine Meynung, was er darvon hielt, und was darbey zu thun sey, frey herauß gesaget. Endlich aber ist es dahin beschlossen, daß das hinab geschluckte und in dem Magen sich aufhaltende Messer durch den Schnitt müste herauß genommen, darnach daß solches Werk noch vor den Hundstägen solte vorgenommen werden; Zum dritten, daß er etliche Balsamische Olitäten zuvor solte geniessen: Zum vierdten, weil ein Magnetisches Pflaster dem Pragischen Messerschlucker nicht wenig behülfflich gewesen, daß es bei diesem auch versucht würde, und endlich, daß bey der Heilung der Spanische Balsam (dessen der Fabritius ab Aquapend. 2 Oper. Chirurg. part. 2, cap. 7, pag. 805, rühmlich gedencket) gebrauchet werden solte. Den Chirurgum und alles nothwendig darzu zu bestellen, ward Herrn L. Crügero übergeben. – Wie nun der Leib mit einer gelinden Purgation gereiniget; die Balsamische Oel etliche Tage gebraucht worden, ist der 9. Tag Julii zu der Operation angesetzt, und dem Daniel Schwaben, einem Stein- und Wundartzt, nunmehr auch Seligen, das Werk anvertrauet worden.

Da man nun die innerliche und äußerliche Hertzstärkungen von Perlenwasser und dergleichen auch andere nothwendige Sachen bey der Hand hatte, hat man den Anfang vom Gebet gemacht, und Gott dem Allmächtigen, als himmlischen Arzt und obersten Directoren und glücklichen Success und kräfftiger Verrichtung angeruffen; darauff der Messerschlucker auff ein Brett gebunden, der Ort, da der Schnitt geschehen solte, mit einer Kohle bezeichnet worden und war derselbe nach der linken Seiten unter den kurtzen Rippen ohngefähr zwey Finger breit nach der Länge: Es ward aber erstlich die Haut, darnach das Fleisch und dann das Peritonaeum, darinnen die Därmer verfasset sind, geöffnet. Ob nun wohl, weil der Patient nüchtern war, der Magen nit bald zu fassen war, und etwas sich verlängert, war doch der Patient mit dem Perlenwasser erquicket, und Gott gab Gnade, daß wie der Magen mit einer krummen Nadel angezogen ward, der Chirurgus des Messers Spitze vermerckete; darauf alsbald an demselben Orte und auff der Spitze des Messers der Magen eröffnet, das Messer ergriffen und hinauß gezogen ward. Wunder war es aber, ja das allervornehmste bey dem gantzen Werck, daß wie das Messer außgezogen ward, hernach der Magen, oder die Wunde des Magens zuschnapet, und der Patient alsbald darauff mit freudigem Muth sagete: Das ist mein Messer. Bald ward nun der Patient auffgelöset, und ins Bette geleget, die Wunden gereiniget, und mit 5 Hefften oben vermacht, doch also, daß man von dem vorgedachten Wund-Balsam etwas Sommer-warm eingetröpffet, auch die Wicken oder Turundas in den Balsam eingetuncket, eingestecket, Carpetten oben, und endlich ein cataplasma von Bolo, Weiß von Ey, und wenig Allaun, die Hitz abzuwenden, zubereitet, folgends noch auffgelegt. Denselben Tag hat er sich mit geringen Krafftsuppen behelffen müssen.

Umb 5 Uhr Nachmittag nahm er dieses Pulvers etwas ein mit dem Perlenwasser, darunter etwas Canneelwasser vermischet war.

Recipe:  Muscatnüss 2 Loth.
  Krebsstein 3 Loth 1 Quintl.
  bereitete Perlen 1 Gran, mische es zusammen.
  S. Magen und Hertzpulver.“

Wir glauben hier unsere Mittheilung schließen zu können. Der Bericht giebt nur noch mehrere Recepte, welche für den Kranken verschrieben wurden und eine so wohlthätige Wirkung ausübten, daß er nach kurzer Zeit gesund und fröhlich aufstand, ja sich sogar verheirathete. Der Bericht, sowie das Messer, welches unser Holzschnitt in der Größe des Originals wiedergiebt, liegen auf der Bibliothek zu Königsberg.

P. Sl.




Ein neues Schmetterlingsbuch. Dem Liebhaber und Jäger jener buntschillernden Treulosen, welche von Blume zu Blume taumelnd den süßen Nektar nippen, standen bisher nur sehr dürftige Werke zu Gebote, wenn es galt, auch nur die Namen jener flüchtigen Segler der Lüfte zu bestimmen, die er eingefangen nicht der Spielerei wegen, sondern um sich zu unterrichten und seine Kenntnisse auch auf diesem Gebiete der Naturwissenschaft zu bereichern. Das wird ihm künftig leichter fallen, wenn erst das neue prachtvolle Unternehmen von Gustav Ramann in Arnstadt „Die Schmetterlinge Deutschlands und der angrenzenden Länder“ ganz in seinen Händen sein wird. Vor uns liegt das bereits ausgegebene erste Heft, enthaltend die Weißlinge, sowie ein Abzug des zweiten. Mit wahrhafter Freude bewundern wir die Vollkommenheit der technischen Ausführung in Bezug auf Zeichnung und Colorit, auf Pracht und Treue, mit welcher der Künstler die kleinen anmuthigen Gestalten in täuschend vollendeter Nachahmung zur Anschauung bringt. Auf alabasterweißem starken Velinpapier liegen dieselben so lebendig hingezaubert, als hätten sie vor Augenblicken noch auf sonniger Au’ an Dolden und Blüthen gehangen. In correcter Form bewegt sich der begleitende Text, welcher in gewandter, leichter und dennoch intensiv instructiver Darstellung die Beschreibungen und Erklärungen mit einer Frische giebt, die nur der Feder eines gewiegten Naturforschers eigen sein kann, dem die hausbackene, trockene Naturschreiberei im lebendigen Verkehr mit der Natur selber zuwider geworden ist. Möge daher dieses von Naturfreunden und hervorragenden Männern der Wissenschaft mit dem lebhaftesten Beifall begrüßte vorzügliche Werk, welches wir hiermit namentlich auch allen Lehranstalten auf das Wärmste empfehlen wollen, sich einer allseitigen herzlichen Aufnahme erfreuen.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_200.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)