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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

No. 24.   1872.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Die Diamanten der Großmutter.


Von Levin Schücking.


(Fortsetzung.)


„Sie mögen Anrechte auf Valentine haben, zu haben glauben,“ erwiderte Daveland Gaston, „ich widersetze mich dem nicht. Ich werde mich schweigend unterwerfen, wenn Valentine Sie vorzieht. Ich werde Herrn d’Avelon dann nie ahnen lassen, wie nahe wir uns stehen; er mag ruhig bis an sein Ende im Besitze Dessen, was sein ist, bleiben. Nur, das begreifen Sie, habe ich auf einen Fremden wie Sie nicht dieselbe Rücksicht, wie auf ihn, zu nehmen. Wenn Herr d’Avelon stirbt, würden nicht Sie der Erbe seines Vermögens werden, Niemand würde es, den Valentine etwa sonst gewählt haben könnte. Meine Ansprüche sind klar und leicht zu beweisen. Herrn d’Avelon’s Brief, worin er selbst sich als den Entwender unserer Diamanten bekennt, ist in meinen Händen; ist einmal Friede geschlossen, sind die Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen wieder wie früher geregelt, so wird kein Gericht sich weigern, diese Erbschaft sofort zu sequestriren, die mit meines Vaters, mit meinem Gelde erkauft, die mein ist.“

„Herrn d’Avelon’s Besitz ist verjährt!“ versetzte Gaston.

„Ein Besitz, der durch ein Verbrechen erlangt wurde, verjährt nicht,“ entgegnete Daveland.

Gaston von Ribeaupierre wandte sich zur Seite des Weges, wo eine hölzerne Ruhebank stand. Er ließ sich darauf nieder, zog ein Etui hervor und nahm eine Cigarre daraus. Nachdem er sie angezündet und die ersten Rauchwolken von sich geblasen, sagte er mit außerordentlicher Kaltblütigkeit:

„Der Kern der Sache ist also: Sie wollen mich von der Bewerbung um Valentine abschrecken, indem Sie mir zeigen, daß sie eigentlich ein armes Mädchen ist und nichts erben wird.“

„Würde das allein hinreichen, Sie abzuschrecken?“ fragte Max ein wenig ironisch, indem er sich an das andere Ende der Bank setzte.

Gaston rauchte, ohne zu antworten, weiter.

„Es thut mir leid,“ hub er dann nach einer längeren Pause wieder an, „daß ich all’ den für Sie so schlagenden Gründen, wonach Sie in Herrn d’Avelon Ihren Verwandten erblicken, einen völligen Unglauben entgegensetzen muß. Ich weiß von meiner Mutter, daß Herr d’Avelon Belgier von Geburt ist, daß seine Angehörigen in Belgien leben, Angehörige, mit denen in früheren Jahren meine Mutter in Beziehungen stand. Denn die Frau des Herrn d’Avelon war eine entfernte Verwandte meiner Mutter, und das Vermögen, welches diese Frau ihm zubrachte, diente ihm eben zum Ankauf dieser Ferme des Auges.“

„Möglich; so hat er den Erlös aus den Diamanten früher schon durchgebracht; unser Recht an ihn wird dadurch nicht geschmälert, nicht geändert.“

„Und was den Ring angeht,“ fuhr Gaston fort, „so beweist er gar nichts, er kann in jedem Laden, wo solche alte Werthsachen feilgeboten werden, gekauft sein.“

„Und sein Erschrecken bei meinem Namen, und seine Handschrift?“ antwortete Max.

„Sein Erschrecken? Sind Sie Ihrer Beobachtung so sicher? Und eine Handschrift von vor dreißig Jahren und von heute, welcher Beweis kann auf die Aehnlichkeit beider gegründet werden? Bleiben Sie die Nacht hier, auf der Ferme des Auges, und ich will Ihnen in der Morgenfrühe die Beweise bringen, daß Sie sich getäuscht haben.“

„Welche Beweise?“

„Eine Copie seines Ehecontracts, mit dem Nachweise, daß sein Vermögen von seiner verstorbenen Frau, Valentinens Mutter, und nicht von den Diamanten Ihrer Großmutter herrührt. … Dann alle die Briefe, welche meine Mutter erhielt, als d’Avelon sich mit ihrer Cousine verbinden wollte, und die die ausführlichsten Nachrichten über sein früheres Leben, seine Beziehungen und Verwandtschaften enthalten.“

„Ich werde diese Ihre Beweise gern prüfen,“ versetzte Max, „doch muß ich später darum bitten, ich habe keinen Urlaub, über Nacht aus meinem Quartier in Void zu bleiben.“

„Sind Sie in einer so wichtigen Sache so der Sclave Ihres Urlaubs?“ fragte Gaston ein wenig höhnisch. „Ich muß auf dieser Bedingung bestehen, denn ich habe mich morgen Vormittag in Neufchateau einzufinden, wo ich vielleicht mehrere Tage, möglicher Weise Wochen gefesselt sein werde.“

„Wann, um welche Stunde würden Sie mir diese ‚Beweise‘ bringen können?“

„Ich werde nach dem Diner nach Givres heimkehren, dort mit meiner Mutter reden …“

„Ich habe Ihr Wort, daß …“

„Seien Sie ganz ruhig darüber. Ich werde mit meiner Mutter über die Herkunft des Herrn d’Avelon reden, ohne Ihr Geheimniß irgend zu berühren. Ich werde die alten Papierschaften hervorsuchen und auf meinem Wege nach Neufchateau werde ich morgen um sieben oder acht Uhr hier sein, sie Ihnen versiegelt zu überreichen. Sie werden mir dieselben dann von Void aus nach Givres zurücksenden. Sind Sie einverstanden?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_383.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)