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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Buch „Voltaire und die Markgräfin von Bayreuth“ in der Friedrichsliteratur sich einen Namen gemacht hat, seinen Gegenstand sorgfältigst durchforscht habe, so schließt doch das die Möglichkeit eines Irrthums nicht aus, und sowohl die Achtung vor der Majestät der Wahrheit, wie die Rücksicht auf jeden ihrer Abonnenten veranlaßte die Redaction, die erwähnte Zuschrift aus Polnisch-Lissa dem Verfasser, Georg Horn, einzusenden und denselben um eine Rückäußerung darauf zu ersuchen.

„Der Zweck meiner historischen Skizze in Nr. 50“ – so schreibt uns Georg Horn – „war weniger, eine Geschichte des Degens Friedrich’s des Großen zu verfassen, als eine Erzählung des Besuches Napoleon’s des Ersten in Potsdam zu geben. Allerdings gäbe das militärische Scepter, mit dem der große König fast ein halbes Jahrhundert lang Europa beherrscht hat, und das Schicksal desselben während der französischen Invasion eine interessante Monographie, aber dieselbe würde über den Rahmen des angedeuteten Bildes hinausgegangen sein. Auch hatte der Verfasser nicht die Absicht, historische Untersuchungen seinen Lesern zu geben, sondern nur die Resultate derselben in historischen Daten, und diese nur, in soweit sie zu der angedeuteten Aufgabe in Beziehung standen. ‚Der so kleine Degen Friedrich’s des Großen,‘ behauptet der Verfasser der mir übermittelten Einsendung, ‚datirt nicht aus dem Schlosse in Stadt Potsdam, sondern er lag auf dem Sarge des großen Königs in der Gruft unter der Kanzel in der Garnisonskirche in Potsdam. Von dort ließ ihn Napoleon einfach herunter nehmen und mit den andern annectirten Reliquien nach dem ‚Hôtel des Invalides‘ schicken, speciell in dem Glauben, Friedrich der Große habe ihn in der Schlacht bei Roßbach geführt. Dieser Degen ist aber nie wieder nach Preußen zurückgekommen. Feldmarschall Blücher, der besonders erpicht auf die Zurückbringung der geraubten Reliquien, Trophäen und Kunstschätze war, fragte natürlich auch nach dem historisch gewordenen Degen; doch hatten diesen die Invaliden, um ihn nicht wieder in preußischen Besitz fallen zu lassen, vernichtet. – Als Revanche dafür bat Blücher um die Erlaubniß, sechs erbeutete französische Adler, zur Aufstellung um den Sarg Friedrich’s des Großen, anbieten zu dürfen, was auch geschah. Heute stehen sie nicht mehr.‘

So weit die Angaben des anonymen Einsenders. Ihnen gegenüber muß ich jedoch meine Angaben in dem beregten Artikel in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten. Von dem Sarge Friedrich’s des Großen hat Napoleon keinen Degen nehmen können, einfach darum, weil keiner auf dem Sarge mehr gelegen hat. Der Degen, den er an das Invalidenhotel in Paris übersenden ließ, war aus dem Schlafzimmer Friedrich’s des Großen im Stadtschlosse zu Potsdam genommen. Er selbst zwar schreibt später, er hätte ihn in Sanssouci gefunden, aber das ist ein Irrthum, ebenso wie die Mittheilung des Generals Rapp, in dessen 1823 erschienenen Memoiren, daß Napoleon den Degen von dem Sarge Friedrich’s genommen habe. Die Reliquie, die Napoleon entführt hatte, war aber nicht die Waffe, welche der große König in seinen Schlachten geführt hatte, sondern nur ein Degen, den er ab und zu getragen hatte. Dieser war auch nach Preußen wieder zurückgekommen – und zwar hatte ihn Friedrich Wilhelm der Dritte dem Cadettenhause in Berlin zum Geschenk gemacht, wo er heute noch zu sehen ist. Mit dem Kaiser war aber auch das große Publicum des Glaubens, der wahre Degen des großen Königs sei entführt worden. Im preußischen Volke herrschte über den Verlust tiefe Bestürzung. Man betrachtete die Waffe, die im Gewölbe des Doms der Invaliden aufgehängt wurde, als das verloren gegangene Palladium der preußischen Waffenehre. Da, im Jahre 1807, trat der Generalmajor von Hinrichs in Halle mit der Behauptung auf, jener von Napoleon geraubte Degen sei ein falscher, und suchte diese Behauptung durch folgende Erzählung zu belegen. Am Paradesarge Friedrich’s des Großen im Stadtschlosse zu Potsdam habe der Oberst und Commandeur des Rhodischen Garde-Grenadierbataillons von Hahnenfeldt die Wache gehabt und seinen eigenen Degen mit dem des großen Königs vertauscht, der auf einem der Tabourets gelegen habe. Der Degen im Invalidenhôtel sei nur des Obersten von Hahnenfeldt Waffe. Dagegen trat die Wittwe des genannten Generals auf und erklärte diese Erzählung für eine Unwahrheit, für eine Ehrenbeleidigung an dem Andenken ihres Gatten. Sie trat sogar klagend hervor, und in die Enge getrieben, gestand General von Hinrichs ein, er habe diese Angabe nur deswegen gemacht, um den Franzosen nicht ihren Triumph zu gönnen in dem Glauben, daß sie den wahren Degen Friedrich’s des Großen besäßen.

Während dieser Staub aufwirbelte, war das echte historische Kleinod, die Waffe, mit welcher der große König die Oesterreicher, die Russen, die Franzosen und die deutschen Reichstruppen so oft vor sich hergetrieben hatte, der Degen, den er in all’ diesen Schlachten getragen hatte, und der jetzt ein so hochinteressantes Stück der königlichen Kunstkammer in Berlin bildet, ganz wohl und sicher in Königsberg i. Pr. geborgen. Allerdings hatte derselbe auf dem Sarge in der Garnisonskirche gelegen, aber vor der hereinbrechenden Katastrophe hatte ihn Friedrich Wilhelm der Dritte mit den übrigen Kleinodien des Königlichen Hauses nach Memel und von da nach Königsberg in Sicherheit bringen lassen. Der Schrecken und die Verwirrung nach der Niederlage von Jena waren in Preußen groß und gewaltig, wer möchte das leugnen. Aber wenn auch Alles, so war doch die Ehre nicht verloren – das konnte sich Friedrich Wilhelm der Dritte, auf den Trümmern seines Staates stehend, sagen. Der Degen Friedrich’s des Großen war das Symbol dieser Waffenehre und die Hoffnung einer bessern Zukunft. Darum hatte der König dasselbe auch nicht vergessen und die kostbare Reliquie noch in der letzten Stunde gerettet und im Jahre 1825 der Kunstkammer in Berlin übergeben lassen. Die Quellen für diese Angaben sind theils Preuß, ‚Friedrich der Große‘, theils ‚Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates‘ von Leopold v. Ledebur. Die Notiz über die Wegnahme des Degens vom Sarge des großen Königs ist dem Herausgeber dieses Werkes vom König Friedrich Wilhelm dem Dritten selbst durch dessen Flügeladjutanten, den späteren General v. Lindheim, zugegangen. Mit dieser Darlegung fällt wohl von selbst die Behauptung des Einsenders der Berichtigungen, als habe Blücher für den vernichteten Degen des großen Königs sechs eroberte Adler um dessen Sarg aufstellen wollen. Wenigstens war dieser Vorschlag nicht zur Ausführung gekommen. Denn seit dem Begräbniß des großen Königs hatte die gänzlich schmucklose Umgebung, in welcher der einfache, dunkle, metallene Sarg desselben steht, keine Veränderung erfahren. Diese Abwehr, zu der ich mich gezwungen sah, möchte nur wieder beweisen, wie rege die Mythenbildung um das Andenken großer Persönlichkeiten ist, und wie wenig irgendwo Gelesenes oder Gehörtes dem historisch Beglaubigten Stand zu halten vermögend ist.“


Theerjacke und Landratte. Seit einigen Jahrzehnten hat sich in Deutschland mehr und mehr eine rege Theilnahme an maritimen Interessen und, namentlich auch im Binnenlande, an der Entwickelung der deutschen Kriegsflotte kund gegeben. In größerer Anzahl als früher widmen sich gebildete junge Leute dem seemännischen Berufe und wenden sich, da der Eintritt als Cadet in die Kriegsmarine nur verhältnißmäßig wenigen gestattet werden kann, der Kauffahrteischifffahrt zu; ist doch die Handelsflotte Deutschlands die dritte der Welt und wird an Anzahl der Schiffe sowie an Tonnengehalt nur von der Englands und Nordamerika’s übertroffen!

Wenn nun die deutsche Literatur bisher auch keine Seeromane aufzuweisen hat, die denen Cooper’s oder Marryat’s an die Seite zu stellen wären (und es erklärt sich leicht aus dem früheren, von der Nation so tief empfundenen Mangel einer Kriegsflotte, so wie aus dem Umstande, daß gebildete Seeleute auf deutschen Handelsschiffen vor nicht gar langer Zeit nur noch ziemlich spärlich anzutreffen waren, daß deutschen Federn dies Feld ziemlich fern lag), so bringen unsere Zeitschriften doch manchmal Novellen und Schilderungen aus dem Seeleben, und in manchen von diesen findet der mit dem Seewesen Vertraute oft Ausdrücke, die ihm fremd, mitunter geradezu lächerlich sind. Solche Ausdrücke sind „Theerjacken“ und „Landratten“. Beide sind aus dem Englischen falsch übersetzt, wie sich denn überhaupt die Übersetzer englischer Seeromane auch an der Verdeutschung der darin vorkommenden technischen Ausdrücke von jeher schwer versündigt haben.

„Jack Tar“ nennt der Engländer wohl scherzweise den Matrosen, und dies würde wörtlich übersetzt „Jan Theer“ heißen.

„Landratte“ ist aus dem englischen Worte landlubber gemacht. „Landlubber“ nannten die Seeleute der englischen Kriegsschiffe die armen Teufel, welche von den ehemals für die Flotte rekrutirenden nächtlichen Preßgängern aufgegriffen wurden und von denen es sich später herausstellte, daß sie keine Seeleute waren, die trotzdem aber nicht wieder entlassen wurden, sondern auf den Kriegsschiffen dienen mußten; konnte doch sonst das stolze England seine Flotte nicht bemannen! Landlubber wird verächtlicher Weise auch wohl Jemand genannt, der sich auf einem Schiffe als Matrose verdingt und doch seiner Charge nicht gewachsen ist, sodaß seine Cameraden häufig für ihn eintreten müssen; einen solchen würde der deutsche Matrose einen „verdammten Bur“ nennen.

Die Ausdrücke „Theerjacke“ und „Landratte“ gebraucht ein deutscher Seemann nie; sie werden ihm nur von Touristen in den Mund gelegt, die eine Hafenstadt oder ein Seebad besucht oder wohl gar eine kleine Seereise gemacht haben.

Es war daher wohl an der Zeit, hierauf aufmerksam zu machen, damit „Theerjacken“ und „Landratten“ endlich aufhören, als Schlagwörter zu figuriren!

Z.

Aus den Kaukasus-Kriegen. (Mit Abbildung, S. 65.) Wir werden unseren Lesern in einer der nächsten Nummern Mittheilungen eines russischen Officiers aus dem kaukasischen Leben, besonders aus den Tscherkessen-Kämpfen, darbieten und bringen als Vorläufer jener Mittheilungen heute eine Scene in Wort und Bild, welche die eigenthümliche Art der dort gebräuchlichen Kriegführung treffend charakterisirt. Unser Correspondent schreibt uns:

„Beim Beginne des letzten großen kaukasischen Krieges, als die russischen Colonnen begannen, von allen Seiten durch die damals noch dicht stehenden Wälder des Kaukasus gegen die Berge vorzudringen, verloren sie ungeheuer viel Leute, welche ihnen einzeln aus Hinterhalten niedergeknallt wurden. Da die Terrainausdehnungen ungemein groß und mit dicht stehendem Holze bewachsen waren, so war es einzelnen Banden der zurückweichenden Tscherkessen ganz leicht, sich in den Flanken oder im Rücken vormarschirender Colonnen zu sammeln. Da überfielen sie dann ganze Wagen- und Waarenzüge, oder Ansiedelungen russischer Colonisten und beraubten und mordeten, was ihnen unter die Hände fiel; vorgeschobene Posten, einzelne Officiere und Soldaten, welche sich nur um Weniges von der Colonne oder dem Lager entfernten, wurden sofort von in sicheren Verstecken liegenden guten Schützen niedergeschossen, und sehr oft kam es vor, daß mitten in einer sich außer Schußweite wähnenden Colonne, oder in der Mitte eines mit doppelten Posten umzogenen Lagers von hinter Felsen oder Gebüschen versteckt liegenden, einzelnen, vortrefflich schießenden Tscherkessen Officiere verwundet oder getödtet wurden.

Da kam man auf den Gedanken, ein Parteigängercorps zu bilden, welches diese Guerillabanden in Schach halten sollte. Zu einer solchen Truppe aber brauchte man Leute, welche es an Verwegenheit, Ausdauer, Terrainkenntniß und Schußsicherheit mit den wilden Bewohnern der Berge aufnehmen konnten. Die glücklichste Wahl, welche je für diesen Zweck getroffen werden konnte, fiel auf die Bewohner der Gegenden des schwarzen Meeres, auf die tapferen und verwegenen Nachkommen der Saporoger, die Kosaken vom schwarzen Meere. Waghalsig bis zum Extrem, mit den Sitten und Gebräuchen sowie der Art der Kriegführung der Bergbewohner und zum größten Theil auch mit ihrer Sprache vertraut, waren sie jedenfalls für diese äußerst gefährliche Aufgabe die richtigen Leute, um so mehr, da sie zuallernächst persönlich dabei interessirt waren, den Raubzügen der Marodeurbanden einen Riegel vorzuschieben, da ihre Familien und Gehöfte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_070.JPG&oldid=- (Version vom 19.9.2018)