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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


hinaus in das blitzende Meer geschaut und die Olivenhaine Corsicas durchwandert, um dann an den Schlössern und Schluchten des Bosporus und des goldenen Horns vorüber seine Schritte nach dem Morgenlande zu lenken, bis er durch die versunkene Culturwelt Kleinasiens hinab nach dem erinnerungsreichen Jerusalem zog, das er nur verließ, um weiter nach Aegyptens vielbewunderter Wüstenwelt zu schiffen. Mit lebhaften Farben malt er in seinen hinterlassenen Tagebüchern die sonnengluthige Schönheit des Südens und den berauschenden Eindruck der orientalischen Ruinenwelt, aber immer und immer kehrt am Schlusse seiner Schilderungen der rührende Wunsch wieder: „Wie gerne gäbe ich alle die Herrlichkeiten hin für einen einzigen Sonnenuntergang auf dem Kickelhahn!“ – Was muß es nur sein, was diesen kleinen Bergen im Herzen von Deutschland einen so frisch erquickenden ewig neuen Reiz verleiht?

Und nun, Reiselustiger, schaue Dir die beigegebenen einfachen Bilder an! Es sind reizende Skizzen, treu aufgefaßt und mit kunstfertigem Stifte durchgeführt. Aber – Freund Heubner verzeihe mir – die Originalien sind doch noch viel schöner!

Julius Keßler.




Blätter und Blüthen.

Maler auf der Studienreise. (Mit Abbildung, S. 467.) „Was ist denn eine Studienreise?“ So werden Viele fragen, und es wird nicht an Leuten fehlen, welche beim Anblick der Maler mit ihren langen Haaren und spitzigen und breitkrämpigen Hüten auf die Meinung verfallen, daß eine sogenannte Studienreise wohl nichts Anderes sei, als eine gut erfundene Ausrede zum Bummeln. Dieser Anschauung huldigte z. B. jener Bauersmann, der, einen Maler unter seinem Schirme sitzen und malen sehend, für sich murmelte: „Da sitzt auch so ein Tagedieb.“ Zum Trost der Welt können wir aber behaupten, daß das Bummeln nur eine Ausnahme ist von der ehrenwerthen Regel, nach welcher weitaus der größere Theil der Künstler es ernst meint mit seinen Studien.

Der Maler lebt fast das ganze Jahr in der Stadt innerhalb der vier Wände seines Ateliers; um seine Phantasie aufzufrischen, muß er einen oder zwei Monate hinaus in die Freiheit. Der Landschaftsmaler eilt nach dem Hochgebirge mit seinen Gletschern, Wasserfällen, Seen, Ahornbaumgruppen und Wettertannen; der Thiermaler sucht jene grünen Halden auf, wo prächtiges Vieh weidet und flinke Ziegen gleich Gemsen herumklettern; der Genremaler richtet seinen Weg dahin, wo er noch die gute alte Zeit findet, wo die Wirthe noch die einfache Kreide führen und nicht die Stahlfeder auf den langen Rechnungszetteln, wo nicht schon jeder Gartenzaun schweinfurtergrün angestrichen ist. Wo er ein Bauernhaus mit mächtigem Strohdache entdeckt, da tritt er ein, da findet er eine heimelige Stube mit Gupfenofen, wo die Sonne freundlich durch runde Fensterscheiben lächelt, wo der Großätti mit kurzen Hosen und Zipfelkappe sein Pfeifchen schmaucht, wo Frauen mit großen Spitzhauben und Mädchen mit Schwefelhütchen ihr Spinnrad drehen; da kann er auch eine rußige Küche finden oder eine trauliche Sommerlaube, wo zwischen Weinranken hindurch die blauen Berge herüberwinken.

Auf einer solchen Studienreise hat der Kunstbeflissene viel von Strapazen und von Unbilden der Witterung zu leiden. Da kann es ihm geschehen, daß, wenn er auf Wochen sich in einer hochgelegenen Sennhütte einlogirt hat, der Wind durch alle Fugen dringt und das Innere mit Rauch anfüllt, daß dem Ungewohnten die Augen übergehen, die Regengüsse ihn nicht vor die Thür lassen, weil die Umgebung der Hütte zur Pfütze geworden, und er am Ende gar noch eingeschneit wird. Da muß der gute Humor helfen, bis die Wolken sich zertheilen und das langersehnte Himmelblau sich wieder zeigt.

Der junge Maler auf unserm Bilde scheint auf eine der oben erwähnten Sommerlauben gerathen zu sein; die darf er nicht auslassen, die kann er vielleicht einmal trefflich verwerthen und rasch macht er sich an seine Arbeit. Er ist ja da ungestört, ungestörter wenigstens als sein College, der den alten Brunnen malt und der von der halben Dorfjugend belagert ist. Und auch er kriegt sein Publicum; doch es ist das Hausgesinde, und da braucht’s Nachsicht. Wie das Ueberwinden der Strapazen lernt sich auch die Geduld, derlei Störungen nicht zu beachten. Als Entschädigung dafür erscheint ihm, o welch Glück! eine neue Studie, eine willkommene Staffage, nein, sogar der Stoff zu einem Bilde.

Dieses Maidli, gewiß des Hauses Töchterlein, hat soeben die auf dem Vordache stehenden Blumen getränkt. Ob sie dieses Geschäft sonst immer zu dieser Zeit verrichtet, weiß ich nicht; aber es hilft nichts, sie muß dem Maler Modell stehen, bis er sie, wie wir sie da erblicken, mit der Gießkanne und halb beschattet von der Weinranke, in seine Mappe skizzirt hat. Aus Freude über das geglückte Tagewerk wird dann im Wirthshause ein Schoppen guter Waadtländer mehr getrunken, und im Qualme von Glimmstengeln und Pfeife stellt er sich das Bild zusammen, welches die Mitglieder des Kunstvereins in einigen Monaten zu sehen bekommen werden. Vielleicht verguckt sich da ein Engländer drein und nimmt es mit sich über’s Wasser.

Obigem Originalbilde, welches in der Schule des Professor von Ramberg gemalt wurde, ist letzteres Loos zu Theil geworden; es kam über Wasser, wenn auch nur über den Bodensee, indem es von der städtischen Galerie in Zürich angekauft wurde. Gegenwärtig befindet es sich im Ausstellungsgebäude in Wien.


Etwas von dem Leben der Fische. „Der ertrunkene Goldfisch“ hätte ich diesen Aufsatz auch überschreiben können. „Als ob ein Goldfisch ertrinken könnte!“ wird mancher Leser sagen. Ja, lieber Leser, ein Goldfisch kann ertrinken, wenn auch nicht auf dieselbe Weise wie Du, wenn Du das Unglück hättest, in das Wasser zu fallen, wovor Dich Gott behüten möge – aber er kann im Wasser ersticken, wie Du auch ersticken würdest. Höre! Als ich vor einiger Zeit eine mir befreundete Familie besuchte, kam mir der zehnjährige Knabe derselben entgegen und klagte mir, sein Goldfisch sei – plötzlich gestorben. Ich antwortete ihm, das Wasser desselben wäre wahrscheinlich alt gewesen. Er aber behauptete das Gegentheil und führte mich vor die Fischglocke, die mit klarem Wasser angefüllt war, in welchem der todte Goldfisch lag.

„Und was that der Goldfisch kurz vor seinem Tode?“ frug ich.

„Er streckte von Zeit zu Zeit das Maul über die Oberfläche des Wassers, als ob er nach Luft schnappen wollte. Das hat er auch gethan, aber es hat ihm nichts genützt.“

„Dein Goldfisch ist ertrunken.“

Der Knabe fing hell an zu lachen und meinte, das sei unmöglich. Ich ließ mir nun von ihm eine brennende Kerze bringen und hielt die Fischglocke darüber, um sie zu erwärmen.

„Was bemerkst Du nun?“ frug ich den Knaben.

„Nichts,“ antwortete er.

Ich ließ darauf das Wasser ausleeren und frisches Bachwasser in die Glasglocke gießen und hielt dieselbe wieder über das brennende Licht. Die Glocke war kaum unten etwas erwärmt, als kleine Bläschen aus dem Wasser in die Höhe stiegen und an der Luft zerplatzten. Diese Bläschen bestanden aber aus Sauerstoff, welchen jedes Wasser enthalten muß, wenn Fische darin leben sollen, welche ebenso des Sauerstoffs bedürftig sind, wie die an der Luft lebenden Menschen und Thiere.

Der Athmungsproceß durch Kiemen bei den Fischen ist insofern dem durch die Lungen vor sich gehenden gleich, als auch hier die im Blute enthaltene Kohlensäure gegen den im Wasser enthaltenen Sauerstoff ausgetauscht wird. Bei den meisten Fischen sind die Kiemen kammförmige Lappen von sehr schöner rother Farbe und liegen gewöhnlich in eigenen Höhlen, zu welchen das Wasser Zutritt hat. Nimmt man einen Fisch aus dem Wasser, so erstickt derselbe, weil die Kiemenblättchen zusammentrocknen, der Blutlauf unterbrochen und der im Wasser eingeathmete Sauerstoff verbraucht wird und nicht mehr erneuert werden kann. Es giebt Fische, welche besondere Wasserbehälter zum Feuchthalten der Kiemen besitzen, und diese können tagelang außer dem Wasser leben, wie zum Beispiel der Kletterbarsch. Daß Aale, welche eine enge Kiemenöffnung haben, lange Zeit auf dem Lande leben können, das weiß wohl Jedermann.

Also, lieber Leser, wenn Du ein Aquarium hast, so erneuere öfters das Wasser darin, wenn Du nicht willst, daß Deine Fische ertrinken oder, wenn es Dir besser gefällt, ersticken, nachdem der im Wasser aufgelöste Sauerstoff verbraucht ist.


Rosenkranz in Königsberg hat unter dem Titel „Von Magdeburg bis Königsberg“ Lebenserinnerungen herausgegeben, die viel Interessantes und Neues enthalten. In Halle lernte er den bekannten, früher viel gelesenen Romandichter Lafontaine kennen, mit dem er später in einem Hause zusammen wohnte. Unter mehreren anderen Charakterzügen des Dichters erzählt er auch den nachfolgenden: „Von Lafontaine’s außerordentlicher Gutherzigkeit könnte ich mancherlei Thatsachen erzählen. Um ihre Art und Weise zu schildern, will ich mich auf ein paar Beispiele beschränken. Wenn es im Sommer sehr heiße Tage gab, so pflegte er sich damit zu beschäftigen, aus Selterwasser, Zucker und verschiedenen Weinsorten erfrischende Getränke zusammenzubrauen. Glaubte er nun eine recht schöne Mischung erfunden zu haben, so lief er damit zu mir und brachte mir ein großes Glas voll. Wenn es mir recht mundete, so freute er sich wie ein Vater, der seinen schmachtenden Sohn erquickt hat. Einmal hatten wir scharf über die Beweise für das Dasein Gottes disputirt. Er verwarf sie ganz nach der Kant’schen Theorie. Ich suchte gerade den ontologischen Beweis aufrecht zu halten. Endlich gingen wir auseinander. Ich hatte anfänglich im ersten Stock des Hauses gewohnt, war aber nach unten gezogen, so daß nur der Hausflur uns trennte. Ich ging sofort in mein Schlafzimmer, zog mich aus und legte mich nieder. Kaum lag ich, so hörte ich die Thür meines Arbeitszimmers, das vor dem Schlafzimmer lag, sich öffnen. Ich horchte auf, wer da noch kommen könnte, da die Hausthür nicht geklingelt hatte. Bald klopfte es an meine Schlafstubenthür. Ich springe auf, den Riegel, den ich vorgestoßen hatte, wegzuziehen. Als ich, im Hemde, öffne, steht Lafontaine vor mir, einen brennenden Wachsstock in der einen Hand. ‚Mein junger Freund,‘ sagte er, ‚ich habe da zwar eifrig disputirt, daß man das Dasein Gottes nicht beweisen könne. Seien Sie aber versichert, daß ich an ihn glaube und noch eben recht innig zu ihm gebetet habe. Ich kann nicht schlafen, ohne Ihnen dies gesagt zu haben. Nun schlafen Sie ruhig!‘ Dabei liefen ihm die Thränen über die Backen. Er drückte meine Hand, die ich ihm mit bewegtem Gemüth reichte, und verschwand. Welch eine himmlische, rührende, liebevolle, wahrhaft religiöse Seele, dieser Lafontaine! Welch eine humoristische Scene für einen Maler!“


Kleiner Briefkasten.

E. H. in Mainz.

Geduld, Geduld, wenn’s Herz auch bricht!
So lang in Wien man fertig nicht,
Geht auch mit uns nicht in’s Gericht!

Sie werden bereits in einer der nächsten Nummern den Einleitungsartikel einer Reihe von Aufsätzen über die Wiener Weltausstellung mit und ohne Illustrationen finden.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_478.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)