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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


männlicher Lebensgefährten entbehren. Nennen sich doch fünf der Unbeschützten ohne Weiteres „wunderschön“; acht bezeichnen sich als „sehr schön“, dreiundzwanzig einfach als „schön“, sechszehn als „sehr hübsch“ und ebenso viele nur als „hübsch“. Zweiundfünfzig sagen, daß sie „gut aussehen“, neun sehen „hübsch" und sieben „fein“ aus. Acht sind „anziehend“, zwei „reizend“, neunundzwanzig „von angenehmem Aeußern“, eine ist „comme il faut“ und eine „bezaubernd“. Manche sind „gebildet“, einige „höchst musikalisch“, verschiedene verstehen sich vortrefflich auf jede weibliche Arbeit, mehrere sind „fein erzogen“. Andere prunken mit ihren vornehmen Bekanntschaften und Verwandten; wenige vergessen, von ihrer Liebenswürdigkeit und Herzensgüte zu sprechen; einige sind stolz auf ihren häuslichen Sinn, Alle ohne Ausnahme jedoch stark in dem Glauben, daß sie vorzügliche Gattinnen abgeben werden.

Die neunzehnjährige Madeline beklagt ihre Armuth, hofft aber, daß dieser Mangel durch die „Reihe ihrer Vorzüge“ aufgewogen werde. Besagte Vorzüge zählt sie folgendermaßen auf: „Mittlerer Wuchs, goldenes Haar, blaue Augen, heiteres Temperament, ohne alle Sentimentalität, sehr musikalisch, singt gut und ist zugleich im Hauswesen sehr erfahren.“ Ein behagliches Dasein und fünfhundert Pfund Sterling jährlich, das ist der Preis, welchen Augusta, die weder Vermögen besitzt noch welches zu erwarten hat, für ihre Reize verlangt. Sie ist fünfunddreißig Jahre alt, fünf Fuß und neun Zoll hoch, von hellem Teint, mit kastanienbraunem Haar (Naturfarbe), hat eine sehr elegante Gestalt, sieht gut aus, ist sehr gebildet, wohl erzogen und häuslich. Sie hat sich immer nur in guter Gesellschaft bewegt, allein sehr zurückgezogen gelebt, so daß sie keine Gelegenheit fand, Herrenbekanntschaften zu machen. Zum Schlusse ihrer Selbstbeschreibung fügt sie noch hinzu, daß sie sich „derzeit in London“ befinde.

Eine andere Dame, die, achtundzwanzig Jahre alt, ihres einsamen und abgeschiedenen Lebens müde ist, wünscht einem Manne zu begegnen, der ein warmes und liebevolles Herz zu schätzen vermag. Leider ist sie ohne Vermögen. Wenn indeß angenehmes Aeußere und gute Manieren im Verein mit Bildung und Gemüth Befriedigung zu gewähren im Stande sind, so ist sie überzeugt, daß sie ihren Gatten zum glücklichsten Manne der Welt und zum Beneidetsten seines Geschlechts machen wird. Mitleiderweckend ist das nachstehende Gesuch: „Ein älteres Mädchen sucht einen Gatten; es ist achtunddreißig Jahre alt, mittellos und nicht hübsch. Sollte diese Anzeige einem Herrn vor Augen kommen, welcher eine Frau braucht und in der Lage und großmüthig genug ist, eine mit den erwähnten Mängeln zu nehmen, so kann die Redaction die Adresse der Dame geben.“ Wir fürchten, der Herausgeber des Blattes werde nicht mit Antworten auf diese Anzeige überhäuft werden, während der Ehemarkt mit so vielen reichbegabten Damen versehen ist, ganz abstrahirt von unterschiedlichen Erbinnen in spe. Viele der letzteren erzählen in gar herzloser Weise, wie sie nur auf den Tod ihrer vermöglichen Eltern warten. Ein einziges Kind, ein süßes Wesen von zweiundzwanzig Jahren, sagt, daß es „beim Tode ihrer Eltern über ein großes Vermögen zu gebieten haben werde“; die schwarzäugige Tochter eines höheren Geistlichen „hat bereits einiges Vermögen und wird noch mehr bekommen, wenn erst ihr Vater auf dem Friedhofe ruht“, und die hochgebildete, sehr blonde, sehr hübsche und sehr fröhliche Miß Lucy thut dieses ihr fröhliches Temperament dar, indem sie bemerkt, daß zu den zweitausend Pfund, die sie bei ihrer Verheirathung empfängt, sie noch eine viermal so große Summe erhalten wird, sobald ihr Vater stirbt, „der jetzt bereits dreiundsiebzig Jahre alt ist“.

Von der Annahme ausgehend, daß der Werth einer Braut steigt, wenn der Bräutigam einmal keine Schwiegermutter zu fürchten hat, vielleicht auch um Theilnahme hervorzurufen, erwähnen nicht weniger als fünfundvierzig Heirathscandidatinnen, daß sie Waisen sind. Eine ziemliche Anzahl dieser vereinsamten Geschöpfe ist dafür mit weltlicher Habe ausgestattet. Rosa, sechsundzwanzig Jahre alt, nicht hübsch, doch sehr fesselnd, hat ein kleines Landgut und sechshundert Pfund jährlicher Einkünfte, die sie mit einem Herrn von unzweifelhafter Respectabilität theilen möchte. Die vierunddreißigjährige Eva, von angenehmem Aeußern, schlanker Figur und vollkommener Gesundheit, lebhaften, thätigen Temperaments, die das Land liebt, aber Alles, was falsch ist, falsches Haar eingeschlossen, haßt, würde einem frommen, gebildeten, freundlichen und wohlhabenden Manne die hingebendste Gattin werden.

Einundsechszig Wittwen im Alter von neunzehn bis zu fünfzig Jahren sehnen sich danach, wieder in den heiligen Ehestand einzutreten. Eine „wunderschöne“ Wittwe, erst neunzehnjährig, blond, hochgewachsen, gebildet und von bester Familie, die weiß, daß sie ein sehr liebevolles Gemüth besitzt, hätte sicherlich Zeit, noch etwas zu warten; vielleicht indeß erklärt sich ihre Ungeduld aus dem Umstande, daß sie eine von den fünf Hinterbliebenen ist, welche ihre Vermögensverhältnisse unberührt lassen. Die übrigen Sechsundfünfzig haben außer ihren eigenen kostbaren Personen alle noch etwas Anderes anzubieten, ein kleines Vermögen, ein bescheidenes Einkommen, ein hübsches Haus oder ein nettes Gütchen. Eine sucht die Männer mit ihren zweitausend Pfund „jetzt“ und einem großen Vermögen „später“ zu reizen; eine andere vergoldet die Pille mit „ungefähr zwölftausend“, und eine dritte besitzt ein prachtvolles Landhaus ohne Schulden und – ohne Kinder.

Zweifelsohne sind manche dieser Annoncen blos zum Scherze eingerückt, die Mehrheit derselben aber trägt unverkennbar den Stempel des Ernstes und der Wahrheit, wenn wir auch nicht an die Echtheit des folgenden Inserats glauben wollen: „Eine Dame von Stand mit einer neunzehnjährigen Tochter wünscht diese letztere zu verheirathen. Das junge Mädchen gilt für sehr anziehend und wird bei ihrer Majorennität fünfundzwanzigtausend Pfund Sterling besitzen. Blos mit Herren von hoher gesellschaftlicher Stellung und reichen Mitteln würde man in Unterhandlung treten.“

Kommen wir jetzt zu den männlichen Mitarbeitern unseres originellen Blattes, so ersehen wir zunächst, daß die Geistlichkeit der englischen Kirche kein Bedenken trägt, den nicht mehr ungewöhnlichen, doch nichts weniger als orthodoxen Weg einzuschlagen. Es sind fünfundzwanzig hochehrwürdige und würdige Herren, welche ihrer Heirathslust einen solchen Ausdruck verleihen, die meisten derselben der englischen Hochkirche angehörend, die aus ihrer Neigung zu wohlerzogenen Damen von etwa dreißig Jahren kein Hehl machen; einer davon jedoch, ein Presbyterianer, Freund von Fahren und Reiten, wie er schreibt, von dem seine weiblichen Bekannten meinen, daß er das Muster eines guten und liberalen Ehemannes abgeben werde, trägt sich jedem vernünftigen, gutherzigen und gutaussehenden Frauenzimmer an, welches baare tausend Pfund Sterling besitzt. Dann kommt eine lange Liste von Hauptleuten, Majoren, Obersten und anderen Officieren der in Ostindien stationirten Truppen, die durch Vermittelung unseres hülfreichen Journals das Glück der Ehe zu erlangen streben. Etwas zweifelhafter Natur scheinen uns die Absichten eines jungen Advocaten von „ungewöhnlicher Bildung, verbindlichem Wesen, untadelhaften Manieren und Gewohnheiten, heiterm Temperamente, angenehmem Aeußern und beneidenswerther Lage“ zu sein, dem, wie er noch bemerkt, die Kreise der besten Gesellschaft offen stehen. Jedenfalls ist er kein so echter Artikel wie der Lehrer der Mathematik, der, „im Begriff, sich ein stilles Landhaus einzurichten, sich mit einer der Töchter Mutter Eva’s zu verbinden wünscht, zum Glück oder Unglück, wie es das Schicksal eben mit sich bringt“; oder wie jener „stattliche Lehrer von ausgezeichneter Gestalt und warmen Gefühlen“, dem sich die Gelegenheit bietet, eine einträgliche Schule zu gründen, und der deshalb eine Dame von guter Erziehung und einigen Mitteln sucht, welche bereit wäre, ihm in diesem Unternehmen beizustehen. Drei Aerzte von guter Praxis und sechs Chirurgen bilden das Corps der Jünger Aesculap’s, die durch das Blatt den Hafen eigener Häuslichkeit zu gewinnen trachten. Die Kunst wird durch ein einziges Individuum und die Literatur durch einen fünf Fuß neun Zoll hohen Herrn mit schwarzem Haar und Bart vertreten, der ein Wochenblatt in einem dreißig Meilen von London entfernten interessanten Bezirke redigirt und von dieser Stelle ein jährliches Einkommen von hundertzwanzig Pfund Sterling bezieht; zum Mitgenusse dieser Situation und Würde sucht er jetzt eine „schöne Dame von Verstand, Bildung und Mitteln, die an ihm einen Mann finden würde, welcher ihre Verdienste vollkommen zu würdigen im Stande ist.“

Für Damen von landwirthschaftlicher Geistesrichtung bieten sich fünf Gutsbesitzer dar und drei einfache Pächter. Von Kaufleuten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_614.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)